Eine Betrachtung zum Fest des Heiligen Nikolaus
Haben Sie schon alle Geschenke für Weihnachten eingekauft? Die meisten von Ihnen werden aufstöhnen und sagen: Gott sei Dank, das haben wir bereits hinter uns. Gott sei Dank?
Das Schenken ist in Verruf gekommen. Den meisten von uns ist ein Unbehagen beim Schenken anzumerken. Es steht die Frage im Raum: Warum schenken wir eigentlich? Was hat Schenken für einen Sinn? Wenn man das vielleicht wüsste, könnte man es neu definieren. Schließlich hat das keine Zukunft, was keine Herkunft hat.
Es mag vielleicht erstaunen: Aber das Schenken zu Weihnachten hat keine alte Tradition. In katholischen Gegenden gibt es noch alte Menschen, die erzählen können, dass in ihren Kindertagen zwar zu Weihnachten gefeiert, aber nicht geschenkt wurde. Bei den Katholiken wurde zum Nikolausabend beschert. Martin Luther hat erst das Schenken zu Weihnachten eingeführt. Mit seiner Theologie vertrug es sich nicht, dass Heilige verehrt wurden und sich deren Popularität noch dadurch steigerte, dass an ihren Festen Kinder beschenkt wurden. Der Reformator hat deshalb den Schenktermin von Nikolaus auf Weihnachten verlegt und zusätzlich den „Schenkenden“ ausgetauscht: Statt dem Heiligen Nikolaus bescherte nun das „Christkind“.
Die Kinderbescherung am Nikolausabend hatte sich im Mittelalter eingebürgert, als der Heilige Nikolaus zu einem ungeheuer populären Heiligen wurde – was er in der Ostkirche noch heute ist. Das Schenken am Fest des Heiligen Nikolaus machte Sinn, denn in der uralten Legende des Heiligen aus dem 5./6. Jahrhundert wird berichtet, dass der Heilige einen Vater und seine drei Töchter, die er nicht standesgemäß verheiraten konnte, dadurch rettete, dass er ihnen nachts unerkannt aus seinem eigenen ererbten Vermögen Gold in ihr Haus warf, so dass die jungen Frauen vor dem Elend bewahrt wurden. Aufgrund dieser Legende bildete sich traditionell das Schenken zu Nikolaus als geheimes Schenken aus: Über Nacht kommt Nikolaus ungesehen und füllt Teller, Strümpfe oder Schuhe mit kleinen Geschenken für Kinder. Auch als die Reformation den Schenktermin verlegt und eine neue Schenkfigur eingeführt hatte, blieb ein Phänomen erhalten: das heimliche Schenken und damit die Rückführung des Schenkens auf einen übermächtigen Dritten.
Die besondere Form des Schenkens führt zum Sinn des Schenkens. Unsere Vorfahren haben deshalb heimlich zu Nikolaus die Kinder beschenkt, weil sie ihre Geschenke stellvertretend gaben: in Stellvertretung für den Heiligen Nikolaus. Und sie haben in dieser Form geschenkt, weil auch schon der Heilige Nikolaus selbst heimlich geschenkt hat. Nikolaus schenkte ebenfalls stellvertretend: Sein Geschenk sollte auf den verweisen, der ihm diese Hilfe, diese Gnade, ermöglichte, nämlich Gott selbst. Nikolaus verzichtete auf sein Erbe, weil er sein Erbe als Geschenk begriff, mit dem er Gutes tun sollte. Gott hat durch Nikolaus geholfen. Schenken bedeutete für Nikolaus: Menschen erfahren, teilhaben lassen am Reich Gottes. Das Geschenk des Heiligen war letztlich eben nicht das Gold, das er gab, sondern die physische und die geistige Freiheit, die er den jungen Frauen erwarb.
Schenken zu Nikolaus vollzog die Legende nach, war ein „Nikolausspiel“, in dem die Menschen erfuhren: Gott will uns Gutes. Dabei ging es eben nicht um besonders kostbare und möglichst viele Geschenke, sondern um die diesen Geschenken zugrunde liegende Symbolik: Ich bin nicht vergessen, ich bin geliebt als Kind Gottes. Süßigkeiten oder Spielzeug am Nikolausfest sollen spielerisch die Gnade Gottes vergegenwärtigen. Bei diesem Schenken berührt der Himmel die Erde und jedes Kind kann ahnen, was die Herrlichkeit einst bringen wird.
Text – Manfred Becker-Huberti
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