Die ökumenische Initiative „Wir für neue Nachbarn“ feierte mit über 150 Flüchtlingen in Bensberg ein Begegnungsfest
„Wir wussten nicht genau, wie viele am Ende tatsächlich kommen würden.“ Margret Blazek, die Leiterin der Pfarrcaritas von St. Nikolaus/St. Joseph und Pfarrer Wolfgang Graf von der evangelischen Kirchengemeinde in Bensberg staunen, als ihr Blick über die mehr als 100 Besucher unterschiedlicher Nationen im Saal schweift, während im Foyer des Gemeindezentrums „Im Bungert“ sicher noch einmal an die 60 Kinder und Erwachsenen vor der Küche anstehen. Und die beiden sind sichtlich erfreut, dass die Idee zu diesem Treffen auf unerwartet große Resonanz gestoßen ist. Während die drei gelernten Köche Mussam, Ahmed und Mohammad aus Syrien für ihr Land Typisches zubereitet haben und Kostproben davon gerade an die vielen Gäste austeilen, schaut auch Bürgermeister Lutz Urbach kurz vorbei und fragt nach, wie es dem ökumenischen Arbeitskreis „Wir für neue Nachbarn“, der seit über einem Jahr mit mehr als 30 ehrenamtlichen Mitarbeitern die ankommenden Flüchtlinge in Bensberg und Moitzfeld betreut, gelungen ist, so viele Menschen allein über Flyer, Mundpropaganda und persönliche Einladungen für dieses erste Begegnungsfest seiner Art zu werben. Er begrüßt die Verantwortlichen und bringt seine Dankbarkeit für so viel selbstverständlich wirkendes Engagement zum Ausdruck.
Warmes Essen, Kuchen, Tee, Kaffee und Gespräche für die Erwachsenen. Straßenkreide, Bastelecken und Süßigkeiten für die Kinder, die auf dem Vorplatz des Versammlungszentrums fröhlich umhertollen, Blumen auf die Pflastersteine malen, Hüpfekästchen oder fangen spielen – und das unter Aufsicht von Schülerinnen des Albertus Magnus Gymnasiums, die sich von selbst für diesen ungewöhnlichen Betreuungseinsatz gemeldet haben. Die starke Man-Power der vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer – mitten unter ihnen Mechthild Münzer, die die Flüchtlingsarbeit in Moitzfeld federführend koordiniert – zeigt: Der Arbeitskreis ist in Bensberg und Moitzfeld gut vernetzt. Es gehören Vertreter der Kirchengemeinden, Schulen und Parteien dazu, aber auch die Dorfgemeinschaft Moitzfeld ist mit von der Partie; sie hat bei der Logistik geholfen, Tische und Bänke zur Verfügung gestellt.
„Von Anfang an wurden Einzelne und Familien, die in unserem Stadtteil eine Unterkunft zugeteilt bekamen oder auch schon eine eigene Wohnung beziehen konnten, von diesem Arbeitskreis betreut“, erläutert Margret Blazek. „Wir haben bei Behördengängen geholfen, Sprachunterricht erteilt und für Hausaufgabenhilfe gesorgt.“ Über den vertrauensvollen Kontakt miteinander würden mit der Zeit viele, sehr unterschiedliche Lebenswege sichtbar und Fluchtgründe nachvollziehbar. Etwa bei Hamid und seiner Familie, die nun im Küsterhaus der evangelischen Gemeinde wohnt und vor dem Regime im Iran geflohen ist. Oder bei Blessing und Adebayo, in deren Nachbarschaft in Nigeria die Bomben der Boko Haram explodierten und sie außer der riskanten Fluchtroute über Nordafrika und Sizilien keine Perspektive mehr für sich sahen.
An den Tischen entstehen lebhafte Gespräche. Die Vertreter der katholischen Pfarreiengemeinschaft und der evangelischen Kirchengemeinde hören zum ersten Mal von Betroffenen, wie sich Unfreiheit, Bedrohung und Terror in Aserbeidschan, im Irak, in Pakistan oder in Syrien anfühlt, und wie bedrückend es ist, wenn der Familienvater noch in der Heimat geblieben ist, während der Großteil der Familie schon Zuflucht in Deutschland gefunden hat. Andere „neue Nachbarn“ sind noch auf der Suche nach einer Wohnung. „Ich brauche etwas für mich allein“, sagt Mussam, „20 Quadratmeter würden mir schon genügen.“ Margret Blazek hält die kleine Miracle aus Nigeria auf dem Arm. Knapp vier Monate ist die Kleine alt; sie wurde bereits im Januar von Pfarrvikar Dr. Luke Ndubuisi getauft. „Es tut gut, in diese Familien zu kommen und die Kinder aufwachsen und große Fortschritte machen zu sehen“, sagt die pensionierte Lehrerin, die selbst intensiv mit ihrem Mann eine afghanische Familie betreut. Bürgermeister Urbach berichtet, dass sich aus Sicht der Stadt die erste Aufgeregtheit angesichts der vielen Neuankömmlinge etwas gelegt hat und dass sich im gesamten Stadtgebiet mittlerweile viele Menschen in der Flüchtlingsarbeit engagieren.
Das macht Mut. So zieht auch der ökumenische Arbeitskreis am Abend eine positive Bilanz: Die viele Mühe, dieses Fest mit zahlreichen Unbekannten zu stemmen, hat sich gelohnt. Jeder Gast – ob klein oder groß – bekommt noch eine bunte Frühlingsprimel mit auf den Nachhauseweg. Gespräche und gemeinsames Essen, Abwechslung und Kontakte für diejenigen, die es sonst nicht leicht haben, ihrem Alltag ein paar Glanzlichter zu verleihen – das alles hat es an diesem Nachmittag im Haus der evangelischen Kirchengemeinde gegeben. Und: ganz viele frohe Gesichter und ausgelassenes Kinderlachen. Eine wichtige Bestätigung für alle ehrenamtlichen Mitarbeiter von „Wir für neue Nachbarn“, auf dem richtigen Weg zu sein.
Text – Wolfgang Graf
Fotos – Beatrice Tomasetti