Versöhnung verbindet mit Gott – Predigt zum dritten Fastensonntag

Über die Bedeutung der Beichte als Gelegenheit zur Reinigung des eigenen inneren Tempels mit Beten, Fasten und Almosen sprach Diakon Clemens Neuhoff am dritten Fastensonntag. Seine Predigt ist nachfolgend im Wortlaut dokumentiert:

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Jesus reinigt den Tempel. Den bis dato wichtigsten Ort der Begegnung mit Gott, seinem Vater, will er bereinigen von allem Handel von allem, was ablenkt. Er provoziert sogar damit, dass der Tempel einfach niedergerissen werden könnte. Denn ihm ist klar: Bisher war der Tempel in Jerusalem der Ort der Begegnung mit Gott. In dem Moment, wo Gott Mensch geworden ist, wurde Jesus Christus selbst zu dem Ort der Begegnung mit Gott. Jesus ist der Tempel, die Wohnstatt Gottes. Dadurch, dass Gott die Gestalt von uns Menschen angenommen hat, hat er auch unseren Leib geheiligt und, wie es bei Paulus heißt, unseren Leib zum Tempel des Heiligen Geistes gemacht. Nehmen wir das Evangelium doch zum Anlass, unseren eigenen Tempel zu bereinigen. Schließlich sind wir in der österlichen Bußzeit. Ein Frühjahrsputz käme also sehr gelegen, damit wir dann bereit sind für das höchste Fest der Christenheit, und damit die Gnaden Gottes, die mit diesem Fest verbunden sind, wirklich bei uns ankommen und in uns wirken können.

Für diese Reinigung gibt uns die Kirche zunächst drei „Reinigungsmittel“: Beten, Fasten, Almosen. Das Beten verbindet uns wieder mit Gott. Almosen geben verbindet uns wieder mit unserem Nächsten, und das Fasten verbindet uns wieder mit uns selbst. Es gibt allerdings noch eine weitere Möglichkeit dieser Reinigung, die ein viel größeres Potential birgt, als viele meinen. Es handelt sich um das Sakrament der Versöhnung. Ein Sakrament, das wissen wir, ist ein sichtbares Zeichen einer nicht sichtbaren Wirkweise Gottes. Unsere sieben Sakramente sind Zeichen und bergen viele Gnaden für denjenigen, der sie empfängt. Sie sind aber auch Zeichen – eben Sakrament – für alle, die an der Feier eines Sakramentes teilnehmen. Das gilt für alle Sakramente. In der Taufe beispielsweise werden die Anwesenden Zeugen davon, dass ein Mensch beschlossen hat, Christ zu werden, oder dass Eltern dies für ihr Kind beschlossen haben.

Im Fall des Sakraments der Versöhnung ist dies weniger offensichtlich. Während in der Urkirche ein Sünder, der für alle offensichtlich eine schwere Übertretung begangen hatte, für eine gewisse Zeit der Umkehr aus der Versammlung ausgeschlossen, währenddessen vom Gebet begleitet und schließlich wieder feierlich aufgenommen wurde, so ist heutzutage das Sakrament der Versöhnung vielfach aus dem offenen Blickfeld verschwunden und in die Beichtstühle verlagert worden. Zugegeben, diese sind selten besonders schön oder einladend. Ganz anders geht es bei den zahlreichen Gebetsabenden junger Katholiken oder auf großen Wallfahrten wie den Weltjugendtagen zu, bei denen ich schon viele Male dabei sein durfte. Hier durfte ich beobachten, wie junge Menschen teilweise lange Schlange stehen, um bei den zahlreichen Priestern beichten zu können. Vorher wirken sie zerknirscht und niedergeschlagen. Dann sieht man, wie sie mit einem Priester sprechen, es fließen Tränen, sie sind nachdenklich, einige lachen schon. Und dann erhalten sie die Lossprechung und kehren freudestrahlend und frei zurück. So ist das Sakrament der Versöhnung ein wirkliches Zeichen nicht nur für den Empfänger, sondern für alle drum herum, Freunde, Familie.

Eucharistie und Versöhnung sind die beiden Sakramente, die das Leben eines Christen immer begleiten und ihn mit Gott verbinden. Lässt man eines von beiden weg, so ist das, als würde man auf nur einem Lungenflügel atmen.

Was umfasst aber dieses Sakrament? Zunächst ist da die Reue. Der Katechismus spricht von einem „tiefen Seelenschmerz“, den wir alle kennen, den jeder mal empfunden hat, zumindest, wenn er etwas Unrechtes gegenüber einem anderen Menschen getan hat. Das kennen wir nur allzu gut. Die Reue bewegt uns oftmals auch, wieder die Versöhnung zu suchen. Ganz eng mit der Reue verbunden ist der Vorsatz. Diesen oder jenen Fehler, dieses Unrecht möchte ich nicht wieder begehen. Ich sehe, was ich angerichtet habe, welche Konsequenzen mein Handeln hatte, und eine solche Situation möchte ich weder mir noch einem anderen nochmal zumuten. Dann gibt es die Buße,auchGenugtuung, genannt. Die Wiedergutmachung von Fehlern. Jemand, der gelogen hat, sagt nun die Wahrheit, jemand, der etwas gestohlen hat, gibt es zurück, jemand, der einen anderen verletzt hat, geht hin und entschuldigt sich. Diesen drei Teilen des Sakramentes kann vermutlich jeder hier ruhig zustimmen und sie bejahen.

Für uns Katholiken umfasst das Sakrament aber auch und vor allem das vierte, die Beichte, das Bekenntnis der Fehler und Sünden. Es ist ein bewusster Akt des sich vor Gott Stellens, vielmehr noch, es ist die direkte Zwiesprache mit Gott. Es ist das Aufeinandertreffen unserer Schwachheit und Erbärmlichkeit mit der unfassbar großen Liebe Gottes. Der Priester hat, wie sonst auch, die alleinige Rolle des Stellvertreters Christi. Mit ihm reden wir und reden wir doch nicht, denn wir sprechen mit Christus selbst. Im Moment der Beichte anerkennen wir, dass unsere Sünden dem Nächsten gegenüber unserer Beziehung zu Gott schaden und unsere Sünden Gott gegenüber der Beziehung zu unserem Nächsten schaden. Indem wir uns mit Gott versöhnen, können wir uns auch wieder mit unserem Nächsten versöhnen.

Einige sagen: „Man kann doch einfach direkt zu Gott beten, um Vergebung bitten und den Priester auslassen, den geht das eh nichts an.“ Kann man, ja. Natürlich kann man Gott um seine Vergebung bitten, und Gott wird das Gebet sicher erhören. Der Moment der Beichte aber hilft uns, uns die eigenen Sünden und Fehler klar vor Augen zu führen, da wir sie beim Namen nennen. Jeder Psychologe kann bestätigen, dass es eine befreiende Wirkung hat, sich Fehler und Schuld von der Seele zu reden. Die direkte Antwort Gottes auf dieses Bekenntnis erfolgt sogleich und ist der Zuspruch, die Ermutigung, die wir durch den Priester erhalten. Und schließlich bekommen wir die Lossprechung selbst. Im Moment der Lossprechung ist uns die absolute Sicherheit gegeben, dass Gott uns unsere Sünden vergibt, dass unsere Beziehung zu Gott vollständig wiederhergestellt ist. Diese Sicherheit ist verbunden mit der Gnade, die in diesem Moment wirkt, die uns ein liebendes Herz schenkt.

Wir bereiten uns auf Ostern vor, auf die Auferstehung. Die Beichte ist jedes Mal wie eine Auferstehung, vom Tod zum Leben zu gehen, vom Schmutz der Sünde zur Reinheit eines neuen Menschen. Sie ist ein gigantischer Schatz, der wieder aus der Versenkung geholt werden sollte. Sie ist einer unserer Lungenflügel. Ich kann Sie nur ermutigen, dieses Sakrament weiter zu empfangen oder wieder neu zu entdecken. Nutzen Sie diese Fastenzeit, um die Vergebung Gottes zu erfahren und sich ganz in der Tiefe auf das Osterfest vorzubereiten.

Text – Clemens Neuhoff
Foto – Theres Schönberg