Am Volkstrauertag haben Bürgermeister Frank Stein und Subsidiar Monsignore Johannes Börsch mit einer stillen Kranzniederlegung auf dem Bensberger Friedhof dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren gedacht.
Frank Stein ist Vorsitzender des VDK-Ortsverbandes Bergisch Gladbach. Am Volkstrauertag wird traditionell der Millionen Toten der beiden Weltkriege und den Opfern von Gewaltherrschaft gedacht. Die Kranzniederlegung fand wegen der Corona-Pandemie unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wurde allerdings per Video aufgenommen. In seiner Ansprache stellte das neue Stadtoberhaupt die Historie des Gedenktages und seine Bedeutung bis heute dar. Er appellierte an die Stadtgesellschaft, sich weiterhin zu erinnern und aus dem Geschehenen zu lernen. „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden” lautet das Leitwort der Jugendarbeit des Volksbundes.
„In Workcamps beschäftigen sich Jugendliche aus verschiedenen Ländern an Kriegsgräberstätten gemeinsam mit der Geschichte und helfen mit, dass Erinnerung an die Geschichte bleibt“, führte Stein aus und betonte, dass auch die große Ehrengrabanlage auf dem Bensberger Friedhof ein diesbezüglicher Lernort sei. Der Volkstrauertag, ein staatlicher Gedenktag in Deutschland, gehöre zu den „stillen Tagen“. Er helfe bei der Erinnerung an die Kriegstoten und die Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen. Auch wenn in Deutschland und in weiten Teilen Europas Frieden herrsche, müsse man für Frieden viel tun – im Großen und im Kleinen. „Mögen wir uns in die Pflicht nehmen lassen, am Frieden mitzuarbeiten“, betonte Stein wörtlich. Der Volkstrauertag nehme Menschen in den Blick, die eines gewaltsamen Todes gestorben seien und nicht auf ein erfülltes Leben hätten zurückblicken können. „Die Trauer über diesen Tod ist bitter und lässt ein Gefühl von Ohnmacht zurück. Die Frage nach dem Warum steht im Raum. Erinnern – Geschichte. Geschichte mitteilen. Über Geschehenes sprechen. Nicht schweigen. Nicht verdrängen. Das wollen wir am Volkstrauertag.“
Pfarrer Andreas Süß als Vertreter des Katholischen Kirchengemeindeverbandes St. Nikolaus und St. Joseph hatte eine teilweise sehr persönliche Rede verfasst, die stellvertretend von Monsignore Johannes Börsch vorgetragen wurde. Die Bombennacht, in der seine Großmutter enge Angehörige verloren hätte, habe ihr Leben geprägt, schilderte demnach Süß aus der Erinnerung. Auch der Ehemann sei von der Front nicht zurückgekehrt. „Die Hoffnung, dass er vielleicht doch zurückkehren würde, bestimmte das Leben meiner Großmutter, aber auch der Glaube an einen Gott, der in dieser schrecklichen Zeit an ihrer Seite ist und alles zum Guten führt, gab ihr die Kraft, ihr Kind zu erziehen und ein zerbombtes Haus wieder aufzubauen.”
„Mir ist nicht fremd“, hieß es weiter in seinem Redebeitrag, „was es etwa für junge Frauen bedeutet, die schon früh ihren Mann verlieren und was es für Kinder heißt, den Vater nie kennen gelernt zu haben. Es wäre sicher nicht menschlich, all das, was da an Wunden und Narben noch in unserer älteren Generation vorhanden ist, mit einem Schulterzucken zu übergehen und ihr auf diese Weise die Solidarität zu entziehen. Daher ist es gut, dass wir heute hier der vielen Opfer gedenken.“
Auch ein Blick in die Gegenwart zeige, dass nach wie vor zahllose Menschen zu Opfern von Kriegen und Gewaltherrschaft würden. „Darum tun wir gut daran, der Mahnung nicht auszuweichen, die dieser Gedächtnistag an uns richtet.“ Und diese Mahnung heiße, so Süß weiter, das Geschehene nicht zu verdrängen, sondern es zu verstehen und aus diesem Verständnis die Motivation zu schöpfen, sich mit allen Kräften dafür einzusetzen, dass die tief im Menschen steckenden Wurzeln von Krieg und Gewaltherrschaft nicht immer wieder neue giftige Blüten treiben könnten.
Diese Soldatengräber und Gräber der vielen zivilen Toten stünden stellvertretend für zahllose Gräber in aller Welt und hätten die Botschaft, dazu aufzurufen, nicht zu vergessen, „welche Wunden der Krieg durch den Tod zahlloser Menschen in unserem Volk, aber auch in anderen Völkern gerissen hat; wie viele hoffnungsvolle Lebensentwürfe einfach ausgelöscht, wie viele Beziehungen zerrissen, wie viel Leid und Trostlosigkeit angehäuft wurden“. Die Trauer darüber bedeute aber auch, mit Betroffenheit wahrzunehmen, wie verführbar wir Menschen sind, wie beeindruckbar durch Ideologien, die unser angeschlagenes Selbstwertgefühl zu stärken versprechen. „Damals waren es nationalistische, rassistische und hegemoniale Ideologien; neben diesen fortdauernden Bedrohungen begegnen wir heute unter anderem der religiösen Verbrämung terroristischer Aktionen unter der Überschrift ‚Heiliger Krieg’, die gerade junge, noch ungefestigte Menschen verführt und sie dazu verleitet, etwa als Dschihadisten für einen Islamischen Staat zu kämpfen.
Wir erleben aber auch eine Kreuzzugsmentalität, die nicht nach den tieferen Ursachen von Konflikten fragt, sondern sich mit großer Selbstgewissheit und Brachialgewalt dem Kampf der angeblich Guten gegen die Bösen verschrieben hat.“ Letztlich frage ein Tag wie der Volkstrauertag auch nach Perspektiven für eine menschenwürdigere und friedlichere Zukunft. Gebraucht werde eine Vision, die sich nicht für politische Machtinteressen missbrauchen lasse, sondern sich jeder ideologischen Fanatisierung widersetze. Die christliche Tradition biete eine solche Vision an in der Idee einer universalen menschlichen Solidarität. Diese ergebe sich aus der Einsicht, dass alle Menschen ihr Dasein dem einen Schöpfergott verdanken und von ihm in eine wechselseitige Verantwortung gerufen sind.
Abschließend zitierte Monsignore Börsch aus dem Schreiben seines Mitbruders: „Wenn der Volkstrauertag uns immer neu die Augen öffnet für die verheerenden Auswirkungen verweigerter Solidarität und uns in Bewegung bringt, je in unseren Wirkungskreisen mit Engagement und Zivilcourage für eine umfassende menschliche Solidarität einzutreten, dann hat er nichts von seiner Aktualität verloren und dann ist unser Totengedenken alles andere als eine nostalgische Pflichtübung. Dann nehmen wir alle Menschen in den Blick, die leiden in unrechten Situationen und die unserer Solidarität bedürften. Das braucht unsere Welt auch in unserer Zeit und in Zukunft.“
Text – Quelle iGl Bürgerportal in GL/Beatrice Tomasetti
Foto – Beatrice Tomasetti