Pfarrgemeinderat beriet in Klausur über Zukunft der Gemeinde

Das „Worst case“-Szenario war nicht mehr als ein Gedankenspiel und als originelle Einstiegsaufgabe von Moderatorin Ingrid Rasch aus Köln für das Klausurwochenende des Bensberg-Moitzfelder Pfarrgemeinderats in Altenberg gedacht. Und dennoch war bei den dann folgenden Überlegungen in Kleingruppen zu der Fragestellung, wie die Gemeinden St. Nikolaus und St. Joseph wohl etwa im Jahr 2028 aussehen werden, schnell klar, dass manches nicht noch weitere vier Jahre braucht, um erschreckende Realität zu werden. Am Ende jedenfalls war das Flipchart dicht gefüllt mit den Ergebnissen eines ersten Brainstormings, sprich mit einer Vielzahl von Befürchtungen, an welchen Stellen der Gemeinde schon sehr bald die notwendigen Ressourcen fehlen werden, um den Ist-Zustand zu halten.

Traditionell nimmt sich das 14-köpfige Gremium – drei Mitglieder waren entschuldigt, Pfarrvikar Kirchner und Pastoralreferentin Gerlach konnten aus Termingründen nur am Samstagnachmittag mit dabei sein – immer Anfang des Jahres die Zeit für ein solches Arbeitswochenende, um in Klausur eine Standortbestimmung der gemeindlichen Arbeit am Ort und wichtige Weichenstellungen innerhalb der Legislaturperiode vorzunehmen. Im Zentrum steht dabei stets herauszuarbeiten, welche pastoralen Themen aufgrund ihrer Dringlichkeit mit Priorität behandelt werden sollten und im dann laufenden Jahr auf der Agenda des PGR ganz oben stehen. Dahinter steckt – Stichwort „worst case“ – eventuell also auch den schlimmstmöglichen Fall zu verhindern, zumindest aber bei der sich abzeichnenden Entwicklung nach Möglichkeit früh genug gegenzusteuern und Lösungsansätze rechtzeitig zu diskutieren.

Zu dem, was also 2028 denkbar wäre, gehören nach Meinung nicht weniger aus dem PGR Begriffe wie „eine strahlend neue Kirche, aber ohne Menschen“ oder „ehrenamtliches Engagement vor Ort als Auslaufmodell“, dann eine fehlende Beziehungspflege untereinander, aber auch von Haupt- zu Ehrenamtlern und umgekehrt, einfach weil eine große Pastorale Einheit eine solche eben erschwert. Eine Großfusion Bergisch Gladbach – auch das eines der Ergebnisse aus der Gruppe – scheint in naher Zukunft nur allzu wahrscheinlich, wird aber nicht gewünscht. Außerdem sind es der grundsätzliche Motivationsverlust, Kirche nicht mehr als Bezugsort im Sinne einer religiösen Heimat, eine wachsende Zentralisierung und die Tatsache, dass es dann keine Messdiener und auch keine Jugendlichen mehr gibt – außer den Bensberger Pfadfindern und der KjG in Moitzfeld – die die „Gemeinde 2028“ prägen könnten. Darüber hinaus wurden der Verlust von Relevanz, von Vielfalt und eine Verschiebung hin zum Konservatismus benannt, des weiteren der Begriff „Hirte ohne Herde“ und die Sorge vor Klerikalismus, schließlich auch die Säkularisierung einer der Kirchorte und das Fehlen von Visionen – nicht zuletzt infolge eines „Exodus des Inner circle“.

Doch bei dieser nüchternen Analyse sollte es selbstverständlich nicht bleiben. Mit großem Eifer gingen die Klausurteilnehmer sehr bald in eine zweite Austauschrunde, um sich über denkbare Konzepte zu verständigen, die diesen Prozess aufhalten bzw. dafür sensibilisieren könnten, dass Gemeindearbeit unter den sich massiv ändernden Rahmenbedingungen – viele Kirchenaustritte, weniger Leute, weniger Geld, weniger Ehrenamt – ganz neu gedacht werden muss. Dabei sollte klar unterschieden werden – auch das formulierte Moderatorin Rasch als Impuls – was lediglich wünschenswert, im Ernstfall aber dann auch wirklich realistisch umsetzbar wäre und in welcher Form – als letzter Schritt – für jeden einzelnen daraus ein konkreter Arbeitsauftrag erwachsen kann.

Einig waren sich alle dabei, dass man sich von dem, was einmal war – lieb gewordene Gewohnheiten und Traditionen samt voller Kirchen – lösen muss und der wehmütige Blick zurück nicht mehr weiterbringt, zumal schon heute nichts mehr so ist, wie noch vor wenigen Jahren, sich stattdessen ein rasantes Fortschreiten dieser Situation in 2028 noch weiter zugespitzt haben kann. Entsprechend kristallisierte sich heraus, den Fokus zukünftig auf junge Menschen zu richten – Kinder, Jugendliche, junge Familien – die verschiedenen PGR-Ausschüsse schwerpunktmäßig damit zu befassen und sich für manches Projekt gegebenenfalls professionelle Unterstützung wie zum Beispiel durch die Katholische Jugendagentur (KJA) zu holen. Auch die Frage, wie erreichen wir überhaupt noch die Menschen mit unserer Frohen Botschaft, stand schnell auf der To-do-Liste ganz oben. Das Angebot von Glaubensgesprächen, wie es bereits besteht, soll unbedingt weitergeführt werden. Auch die Öffentlichkeitsarbeit einer Gemeinde – der Pfarrbrief und die Homepage – diene dazu, so wurde argumentiert, pastoral-spirituelle Themen zu platzieren und damit auch die zu erreichen, die keine Kirchennähe haben. Es wurde über die alternative Nutzung der Kirchen als „Resonanzräume“ beispielsweise verstärkt für kulturelle Veranstaltungen (Konzerte, Ausstellungen, Lesungen) nachgedacht, aber auch darüber, dass Ideen und Projekte neben Manpower oft finanzielle Förderung benötigen und hier die Mithilfe der KVs gefragt ist.

Die mitunter fehlende Wertschätzung von Laien wurde thematisiert, genauso aber auch die allerorts schwindende Attraktivität der Sakramente als sogenannte „Touchpoints“, wo es die Kontaktmöglichkeit mit Glauben und Kirche gibt. Dass dauerhaft manches bisherige Angebot aufgegeben werden muss, weil sich niemand mehr darum kümmern kann oder diesbezüglich eventuell auch keine Nachfrage mehr besteht, weil es schlichtweg ausgedient hat, gehörte ebenfalls zu den Inhalten dieser Tagung wie auch sehr konkrete Ideen, für die Glaubensweitergabe neue attraktivere Vermittlungsformen zu finden, die den Bedürfnissen der Menschen in St. Nikolaus und St. Joseph angepasst werden. Ein weiterer Punkt war zudem die Klärung von Zuständigkeiten und Ansprechpartnern, die sich für ein bestehendes oder auch zukünftiges Projekt den Hut aufsetzen.

Konkret soll es in diesem Jahr für junge Familien wieder alle paar Wochen nach der „Kinderkirche“ einen anschließenden Treff bei Kaffee, Plätzchen und Saft geben. Auch ein Familienwochenende in der Adventszeit findet erneut statt. Die Möglichkeiten, ein vergleichbares Wochenende für Jugendliche anzubieten, werden noch geprüft. Der Liturgie-Ausschuss soll wiederbelebt werden. Ausgewählte, möglicherweise ökumenisch gestaltete Gottesdienste könnten eventuell unter der Maßgabe „mit Eventcharakter“ zusätzliche Anreize für bestimmte Zielgruppen schaffen. Der Kreis der Taufkatecheten, eine feste Institution seit Jahrzehnten, wird als wichtiges Bindeglied der Gemeinschaftsbildung betrachtet, braucht aber mehr Wertschätzung, Aufmerksamkeit und möglicherweise auch jüngere Unterstützung. Und eine noch stärkere Elterneinbindung bei den Sakramenten Taufe, Erstkommunion und Firmung könnte als identitätsstiftend erlebt werden. Ein regelmäßiges geistliches Angebot am Sonntagabend zum Start in die neue Woche – einmal im Monat – soll das erfolgreiche Format der Moitzfelder „AdventMomente“ mit Musik und Texten aufgreifen und weiterentwickeln. Vielleicht ist im Sommer außerdem eine neue Idee spruchreif, bei der unter der Überschrift „Bier und Bibel“ ein sehr zwangloses Zusammensein mit Gesprächen „über Gott und die Welt“ im Moitzfelder „Lindenhof“ etabliert werden soll.

Neu an diesem Klausurwochenende war, dass Martin Brochhaus, PGR-Vorsitzender, im Namen des gesamten Pfarrgemeinderates zum ersten Mal auch alle Mitglieder der beiden Kirchenvorstände eingeladen hatte, die für zwei Arbeitseinheiten nach Altenberg gekommen waren. Ziel war, gegenseitige Erwartungen und Wünsche einmal klar zu formulieren, um mehr von dem je anderen Gremium zu erfahren. Hier werden dauerhaft ein besserer Informationsfluss und damit eine engere Zusammenarbeit angestrebt, um in einer demnächst größeren Einheit mit einer Stimme zu sprechen und gleichzeitig das eigenständige Profil der Pfarreiengemeinschaft zu schärfen. Erste Schritte sollen regelmäßige Abstimmungstermine zwischen den Vorständen der Gremien und im Mai eine gemeinsame Sitzung aller drei Gremien sein.

Last but not least gab den Klausurtagenden auch Pfarrverweser Harald Fischer am Samstagvormittag für knapp zwei Stunden die Ehre. An seinem 63. Geburtstag ließ er es sich nicht nehmen, hilfreiche Impulse einzubringen und auf zwanglose Weise den Kontakt zu der Gemeinde zu vertiefen, für die er noch über seine eigene Kürtener Gemeinde hinaus bis zum Frühjahr zusätzlich Verantwortung trägt.

Text und Foto – Beatrice Tomasetti