Wenn Wolfgang Graf, der langjährige Pfarrer der evangelischen Nachbargemeinde Bensberg, an diesem Sonntag in der katholischen Kirche St. Nikolaus in den Ruhestand verabschiedet und von seinem Amt entpflichtet wird, ist die Wahl des Ortes zwar vordergründig den geltenden Corona-Auflagen geschuldet – die evangelische Kirche ist für eine dem Anlass angemessene Feier einfach zu klein – aber trotzdem kann diese Tatsache auch als aussagestarkes Symbol für ein tragfähiges ökumenisches Miteinander am Ort gelten, zumal sich hier nach 30 Jahren auch wieder ein Kreis schließt.
Denn bereits Anfang der 1990er Jahre wurde mit der Einführung von Graf am 17. Februar 1991 in seine neue Pfarrstelle in Bensberg zugleich der Grundstein für eine immer noch ausbaufähige und später sehr florierende ökumenische Zusammenarbeit zwischen der katholischen und der evangelischen Gemeinde gelegt, was zunächst seinen sichtbaren Ausdruck darin fand, dass Pfarrer Heinz-Peter Janßen dem gerade frisch eingeführten Mitbruder den Treffpunkt St. Nikolaus für den Empfang seiner Gäste zur Verfügung stellte. Darüber hinaus hieß er ihn auf das Herzlichste willkommen, und zwischen den beiden entwickelte sich schnell eine intensive Zusammenarbeit, die den offiziellen Bemühungen um einen ökumenischen Dialog zwischen den beiden großen Kirchen – zum Beispiel auf Bistumsebene, aber auch darüber hinaus – immer einen Schritt voraus war und sich trotz manchen amtskirchlichen Gegenwinds nichts von ihrer Lebendigkeit nehmen ließ.
Nun, nach genau 30 Jahren, hat Pfarrer Graf im diesjährigen Osterpfarrbrief der katholischen Pfarreiengemeinschaft noch einmal daran erinnert, wie tragfähig sich diese Verbindung von einst über drei Jahrzehnte erwiesen hat, wie sehr sie im Verlauf der Zeit immer noch weiter gewachsen ist, wie sie in ihrer Qualität auch nach der Ruhestandsverabschiedung von Pfarrer Janßen noch Bestand hatte und auch sein Nachfolger, Pfarrer Andreas Süß, nahtlos daran anschließen konnte. In seinem Grußwort an die katholischen Mitchristen erinnert er an den ökumenischen Arbeitskreis, in dem unter anderem Jahr für Jahr die Reihe „Gespräche in der Fastenzeit“ oder die ökumenisch gestalteten „Möhnemessen“ zu Weiberfastnacht verabredet wurden.
Als die 1983 von vornherein als ebenfalls ökumenisches Projekt angelegte „Alten- und Familienhilfe Bensberg e.V.“ in den 90er Jahren eine neue Heimat für ihre Büroarbeit suchte, war es für Pfarrer Graf selbstverständlich, dafür einen Raum im Gemeindezentrum bereit zu stellen, damit die gewünschten Sprechzeiten problemlos abgedeckt werden konnten.
Von ebenso großer Tragweite war dann die etwa zeitgleich installierte Hilfe für Flüchtlinge aus Bosnien, die in den 1990er Jahren nach Deutschland kamen; ein überwiegend ehrenamtlich gestemmtes Engagement, das angesichts der Flüchtlingskrise 2015 noch einmal in dem eigens dafür gegründeten Kreis „Wir für neue Nachbarn in Bensberg und Moitzfeld“ neu belebt wurde. Und auch das vor inzwischen fünf Jahren aus der Taufe gehobene Projekt „Bensberg is(s)t was“ hat den Anspruch, ganz unterschiedliche Menschen an einem Tisch zusammenzubringen und neben einem warmen Mittagessen aber auch ganz niederschwellig eine Art Mahlgemeinschaft anzubieten. Außerdem gibt diese erfolgreiche Initiative der Pfarrcaritas die Möglichkeit, Hilfesuchende auf ihre Angebote aufmerksam zu machen.
Die in der Vergangenheit von Graf und Janßen begleiteten Reisen nach Rom, Wittenberg, Taizé und Israel, für deren Organisation vor allem Gemeindemitglied Christoph Babilas verantwortlich zeichnete, stützte wiederum den geselligen Teil dieses ökumenischen Austauschs der beiden Nachbargemeinden. Es sei darum gegangen, schreibt Pfarrer Graf dazu rückblickend, „unsere Ökumene immer auf der geschwisterlich freundschaftlichen Seite zu halten“. Wörtlich fügt er hinzu: „Reden, sich freuen, einander helfen, kollegial – als Menschen, als Freunde. Auch da, wo die Gemeinden es nicht sofort sehen: in den meisten Schulgottesdiensten zum Beispiel.“
Diese gute Geschwisterlichkeit habe sich später auch mit Pfarrer Süß fortgesetzt, so Graf weiter. „Bei ihm gibt es nicht nur lecker Kaffee und Plätzchen, sondern wir haben so manches Eisen zusammen geschmiedet: die „Fastengespräche“ in eine neue Form gebracht, Ausflüge zu den Gemeinschaften von Jerusalem in Groß St. Martin in Köln, zur ökumenischen Gemeinschaft „Chemin neuf“ in der KHG Bonn oder in den Kölner Dom unternommen, Taizégottesdienste gefeiert, einen „Thesenanschlag“ im Lutherjahr veranstaltet, Mundartmessen, Fahnensegnungen sowie den Corona-Einkaufsdienst und die Telefonaktion „Ein Gespräch für Dich“ installiert.“ Auch die gegenseitigen Besuche in der jeweils anderen Kirche, zum Beispiel zu Ostern, hätten zur ökumenischen Tradition zwischen ihnen gehört. Nun – am Ende des Weges – danke er „mit dem berühmten lachenden und weinenden Auge unserem Herrn für die Freundschaft in den vielen Jahren und wünsche beiden Gemeinden Gottes Segen für die Zukunft“.
Umgekehrt dankt auch Pfarrer Süß dem scheidenden Mitbruder und Ökumenepartner am Ort „für das herzliche und geschwisterliche Miteinander in den vergangenen Jahren in Bensberg und Moitzfeld“. Süß betont: „Wir haben uns sehr oft ausgetauscht, vor allem in der Corona-Zeit, viele Projekte gemeinsam auf dem Weg gebracht und immer wieder beraten, wie wir gerade jetzt für die Menschen da sein können.“ Das seien Erinnerungen von bleibendem Wert. „Unter den vorgegebenen theologischen Bedingungen haben wir freundschaftlich und mit großem gegenseitigen Vertrauen unsere Gestaltungsräume genutzt.“ Daher freue er sich auch sehr, dass Pfarrer Graf – aufgrund der persönlichen Freundschaft – bei seiner Einführung am 5. September im Quirinus-Münster mit dabei sein werde.
Text und Foto – Beatrice Tomasetti