Interview mit Monika Ueberberg
Nach 17 Jahren in Bensberg und Moitzfeld verlässt Pastoralreferentin Monika Ueberberg im Sommer unsere Gemeinden. Von Mitte August an wird sie ihren Dienst in Rösrath, Forsbach, Hoffnungsthal und Kleineichen antreten, während ihr dortiger Vorgänger, Pastoralreferent Leonard Schymura, ihren bisherigen Wirkungskreis übernimmt.
„Miteinander“ sprach mit der scheidenden Seelsorgerin über die zurückliegende Zeit in St. Nikolaus und St. Joseph sowie über ihre Hoffnungen und Erwartungen für die Zukunft.
Frau Ueberberg, nach so vielen Jahren Gemeindearbeit wechseln Sie nun in eine andere Gemeinde. War diese Zäsur kein Anlass, sich neu zu orientieren und einem ganz anderen Aufgabenfeld zuzuwenden?
Ich habe anfangs tatsächlich darüber nachgedacht, in die kategoriale Seelsorge zu wechseln, also zum Beispiel in die Krankenhaus-Seelsorge oder auf eine Referentenstelle im Generalvikariat, vielleicht in der Abteilung Frauenseelsorge. Aber im Abwägen der Möglichkeiten ist mir schnell klar geworden, dass ich weiter in der Gemeindepastoral arbeiten möchte. Das ist einfach meins.
Warum?
Gemeindeseelsorge ist sehr vielfältig, abwechslungsreich und lebendig. Hier arbeite ich mit Menschen aller Altersstufen, und ich treffe auf Menschen in allen Lebenssituationen, kann Freude, Sorgen, Hoffnung und Glauben mit ihnen teilen. Das macht mir Spaß, und auf andere zuzugehen, sie miteinander, mit der Gemeinde und mit Gott in Kontakt zu bringen – das liegt mir.
Würden Sie sagen, pastorale Arbeit ist schwerpunktmäßig Beziehungsarbeit? Oder was war bzw. ist Ihr Verständnis von pastoraler Arbeit?
Mein persönliches „inneres Pastoralkonzept“ ist, über Beziehungen Gemeinde aufzubauen und lebendig zu halten. Das habe ich in den vergangenen 17 Jahren in St. Nikolaus und St. Joseph versucht: nämlich vom Kindergarten an junge Familien anzusprechen über Kleinkindergottesdienste, Familienwochenenden und ähnliches, aus diesen Kreisen dann Eltern als Katecheten für die Kommunionvorbereitung zu gewinnen, diese gut zu begleiten und dadurch zu motivieren, mit der Gemeinde verbunden zu bleiben. Dafür boten sich ja dann zahlreiche Möglichkeiten an: zum Beispiel in den Liturgiekreisen, dem Pfarrgemeinderat, bei den Taufkatecheten mitzuarbeiten oder aber selber für sich gemeindliche Angebote zu
nutzen.
Was waren das für Angebote, die Frauen und Männer in unseren Pfarreien nutzen konnten?
Wer seine Gottsuche und seinen Glauben verlebendigen wollte, konnte beispielsweise Exerzitien im Alltag machen. Dieses geistliche Angebot gab es schon regelmäßig vor meiner Zeit hier. Als ich die Möglichkeit hatte, eine vierjährige Zusatzausbildung zur Geistlichen Begleiterin wahrzunehmen – wie Pfarrer Fußhöller übrigens auch – habe ich mein Arbeitsfeld gerne auf die Exerzitienarbeit und die Einzelbegleitung ausgeweitet.
Zu Ihren persönlichen Akzenten gehörten auch die mittlerweile sehr gefragten Enneagramm-Kurse, die Sie gemeinsam mit Gudrun Verges angeboten haben.
Pfarrer Janßen ließ uns als seinen MitarbeiterInnen große Gestaltungsmöglichkeiten. Von daher konnte ich zusammen mit Gudrun Verges – als Pädagogisch-Therapeutischer Beraterin – einen Zweig in der Erwachsenenbildung etablieren, der auf Persönlichkeitsentwicklung zielt. Wir haben 15 Jahre lang gemeinsam Enneagramm-Kurse angeboten und später dann auch Besinnungswochenenden für Frauen und Männer.
Was meint das: Enneagramm?
Das Enneagramm ist eine christlich–tradierte, jahrhundertealte Typenlehre, die davon ausgeht, dass es neun Grundtypen menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns gibt.
Unter anderem haben die Jesuiten diese Typenlehre immer schon in der Geistlichen Begleitung verwendet, um Menschen Blockaden oder eben Möglichkeiten für das persönliche und geistliche Wachstum aufzuzeigen. Es geht dabei nicht um Schubladendenken, sondern um einen Weg zu tieferer Selbsterkenntnis und –entwicklung. Das war spannend, viele Frauen und Männer unserer Gemeinden mit Hilfe des Enneagramms auf die Spur der Persönlichkeitsentwicklung zu locken.
Ihr Aufgabengebiet in St. Nikolaus und St. Joseph war breit gefächert. Wie wird das in Ihrer neuen Gemeinde aussehen?
Zunächst einmal freue ich mich, dass ich in der neuen Gemeinde, der Stadt Rösrath mit ihren vier Kirchorten, viel Lebendigkeit vorfinde. Da gilt es dann erst einmal anzukommen, mich zu orientieren, einzufinden, Menschen kennenzulernen. Zu meinen künftigen Aufgaben werden sicherlich wieder die Kommunionkatechese und Kinder- und Familienarbeit gehören. Mein Vorgänger hinterlässt hier ein gut bestelltes Feld, und ich werde mich bemühen, seine Arbeitsbereiche gut weiterzuführen. Darüber hinaus hoffe ich, dort auch meine Erfahrungen in die Frauen- oder Exerzitienarbeit einbringen zu können und vielleicht neue Ideen zu entwickeln, wie Menschen heute mit Gott, Glaube und Kirche in Berührung gebracht werden können.
Das war der Blick nach vorne. Aber wenn Sie auf Ihre bisherige Zeit im pastoralen Dienst zurückblicken – hatten Sie immer das Gefühl, angenommen zu sein: als Frau, als Laientheologin? Haben Sie es nie als Zurücksetzung empfunden, in so vielen Bereichen seelsorgerische Arbeit zu leisten, ohne zum Dienst am Altar zugelassen zu sein?
Hier in St. Nikolaus und St. Joseph habe ich mich von Anfang an willkommen und akzeptiert gefühlt, gerade als Frau in der Kirche, sowohl von meinem dienstvorgesetzten Pfarrer als auch von den Priesterkollegen und den Gemeindemitgliedern. Pfarrer Janßen hat einen sehr kollegialen Leitungsstil. Unsere Zusammenarbeit war partnerschaftlich, geschwisterlich. „Von oben“, das heißt von der Bistumsleitung, hätte ich mir manchmal mehr Wertschätzung gewünscht für unsere Berufsgruppen. Das Weiheamt anzustreben war allerdings nie eine Option für mich. Ich bin im kirchlichen Dienst angetreten, um Pastoralreferentin zu werden. Mein Beruf, den ich auch als Berufung verstehe, bietet zahlreiche Möglichkeiten, „am Reich Gottes“ mitzubauen.
Durch Kardinal Woelki ist Bewegung in das Thema Laienpastoral gekommen – er will die Rolle der Laien stärken… Gibt es da heute rückschauend ein leises Bedauern, dass Ihre berufliche Tätigkeit unter einer anderen Bistumsleitung freier und produktiver hätte gestaltet werden können?
Berufspolitisch war das sicher ein Thema. Doch konkret, was die Arbeit vor Ort betraf, nicht. Im Gegenteil: Pfarrer Janßen hat uns als Frauen und Laientheologen größtmöglichen Freiraum gelassen und hätte gern noch mehr Chancen für uns durchgesetzt.
Bedauern Sie es dann nicht, von hier wegzugehen?
Ja, sicher! Aber die turnusmäßige Versetzung ist halt vorgegeben. Ich wäre gern geblieben. Nach 17 Jahren bin ich hier zu Hause. In dieser Zeit ist ganz viel gewachsen – auch an persönlichen Beziehungen. Ich sehe heute junge Eltern, die ich schon als Messdiener oder Pfadfinder kannte, mit ihren Kindern in den Kleinkindergottesdienst kommen. Und umgekehrt: Ehemalige Kinder, die ich seit Kita-Tagen kenne, bilden heute die Messdienerleiterrunde. Oder: Im Frauenforum in Moitzfeld ist meine erste dortige Katechetengruppe komplett vertreten.
Sehen Sie den Wechsel auch als Chance für einen beruflichen Neubeginn?
Natürlich. Neben dem Bedauern, sich aus einem gut funktionierenden System verabschieden zu müssen, ist es eben auch eine Herausforderung,
neu anzufangen und manches vielleicht anders zu machen. Um mit Herrmann Hesse zu sprechen: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne..!“ Denn man ist ja auch geneigt, blind zu werden, wenn alles in eingefahrenen Bahnen läuft. Leben heißt – auch biblisch gesehen – immer Aufbruch und Veränderung.
Was ist am Ende doch als eine offene Rechnung geblieben und nicht wunschgemäß geglückt?
Ich hätte gerne mehr Zeit für die Einzelseelsorge gehabt, so bin ich wohl manchen etwas schuldig geblieben. Leid tut mir auch, dass vielleicht zu wenig Zeit war, religiöse Akzente in der Jugendarbeit zu setzen. Das ist ganz sicher für die Zukunft noch eine Baustelle…
Das Leitmotiv unseres Sommerpfarrbriefs ist der Rucksack: Was packen Sie – bildlich gesprochen – ein, wenn Sie gehen? Was nehmen Sie mit aus Ihrer Zeit in Bensberg und Moitzfeld?
Einen Zuwachs an Erfahrungen, an Kompetenzen, an Gelassenheit und große Dankbarkeit für eine reiche Zeit mit tollen Kollegen und offenen, engagierten Gemeinden. Und eine Menge Bilder, die ich – biblisch gesprochen – „im Herzen bewahren“ werde.
Welche sind das?
Ich habe da die „vielen kleinen Leute“ des Kleinkindergottesdienstes vor Augen, die voller Begeisterung
„Gott ist mitten unter uns!“ singen! Oder ich denke an das Kindergartenkind, das mir den Namen „die Gotteslehrerin“ gegeben hat. Oder an die größten Rabauken, die am Tag ihrer Erstkommunion engelsgleich am Altar stehen und mit leuchtenden Augen den Leib Christi empfangen. Unvergessen werden mir die Männer bleiben, die so mutig waren, mit uns als weiblichen Referenten zum Männerwochenende
zu fahren und das Vorurteil widerlegten, dass Männer nur schwer über ihre Gefühle und ihren Glauben sprechen. Und ich muss heute noch lachen, wenn ich an den Pfarrkarneval denke, an dem Pfarrer Janßen als Jungfrau des Dreigestirns aufgetreten ist.
Apropos Karneval. Im Rheinland gibt es eine ziemlich enge Allianz zwischen Kirche und Karneval. Ein gutes Beispiel dafür sind letztlich auch Sie! Was wäre die fünfte Jahreszeit in Bensberg ohne den traditionellen karnevalistischen Auftritt des Pastoralteams gewesen, für den Sie als Ideengeberin und Ghostwriterin stets die humoristische Vorlage lieferten!
Das ist richtig! Der Karneval liegt mir im Blut. Dazu gehört auch, über sich selbst lachen zu können. Das haben wir als Pastoralteam bei den Karnevalsfeiern im Treffpunkt immer gezeigt, wenn wir uns selbst mit unserem Auftritt auf die Schippe genommen haben. Die Sketche lebten zum Großteil davon, dass wir alle gerne dabei mitgemacht haben, einschließlich unserer nicht mehr ganz jungen Diakone, und in Pfarrer Janßen auch einen besonders begabten Mimen mit dabei hatten. Die Ideen dazu ergaben sich ja immer im Laufe eines Jahres aus der aktuellen Kirchensituation, die ich schon mal ganz gerne aufs Korn genommen habe oder die wir ironisch, aber mit Herz, kritisiert haben.
Unser letzter Karnevalsauftritt trug den Titel: „Niemals geht man so ganz!“ Und die letzte Zeile dieses Liedes von Trude Herr mag mein Schlusswort sein:
„Niemals geht man so ganz! Irgendwas von dir bleibt hier. Es hat seinen Platz für immer bei mir!“
Das Interview führten Martina Martschin und Beatrice Tomasetti
Fotos – Beatrice Tomasetti