Anlässlich der Kommunalwahlen an diesem Sonntag hat eine Gruppe junger Pfarrgemeindemitglieder den Bürgermeister-Kandidaten in Bergisch Gladbach einmal auf den Zahn gefühlt – und nebenbei nach deren christlichem Profil gefragt.
Sebastian Hoppe erntet an diesem Abend viel Lob. Seine Moderation war aber auch ausgesprochen kompetent, sympathisch und stellenweise sogar äußerst originell. Dafür, dass er zum ersten Mal in diese Rolle geschlüpft ist, mit der er immerhin am Ende vor rund 70 Anwesenden und einer recht großen Öffentlichkeit im Livestream bestehen muss, schon ein beachtlicher Erfolg. Erst recht für jemanden, der die Befragung von Spitzenkandidaten im kommunalen Wahlkampf um das Bürgermeisteramt der Stadt scheinbar mal eben so aus dem Stand heraus stemmt, aber nicht wirklich eine berufliche Qualifikation dafür mitbringt.
Denn die Anstrengung dieser fleißig vorbereiteten Podiumsdiskussion im Bensberger Albertus Magnus-Gymnasium auf Initiative einer neu gegründeten Ortsgemeinschaft des KKV – Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung – ist ihm kaum anzusehen. Trotzdem lassen die sorgfältig überlegten und mitunter charmant vorgetragenen Fragen darauf schließen, dass sich der 24-Jährige, der sonst beruflich als Manager in der Pharmabranche tätig ist, eingehend mit dem Wahlprogramm seiner beiden Gäste und deren politischer Haltung auseinander gesetzt hat und gewillt ist, beiden gleichermaßen auf den Zahn zu fühlen. Dazu gehört auch, da gekonnt nachzufragen, wo es vielleicht knirscht und weh tut.
Und so beweist der junge Mann bei diesem bemerkenswert souveränen Auftritt eine große Portion Mut. Auch wenn hinter ihm eine ganze Gruppe Gleichaltriger steht, die ihn unterstützt und sich auf die Fahne schreibt, einmal ein bisschen frischen Wind in das Zusammenspiel von Kirche und Politik bringen zu wollen. Vor ein paar Wochen nämlich haben sich die jungen Erwachsenen nach einer Sonntagabendmesse in der Bensberger Pfarrkirche St. Nikolaus spontan überlegt, angesichts der fehlenden Jugend in den Gottesdiensten eine Initiative zu starten, bei der die eigene Generation zwischen 20 und 30 einmal mehr in den Blick gerät und deren Interessen im Vordergrund stehen.
„Wir haben uns gefragt, wie man junge Leute, junge Familien und Kirchengemeinden am Ort zusammenbringen kann, um einen lebendigen Austausch zu schaffen. Und da war uns schnell klar: Das geht am besten über spannende Themen“, erklärt Sebastian Hoppe, der gemeinsam mit seiner Frau Charlott Marie, vier weiteren Mitstreitern und der Unterstützung von Pfarrer Andreas Süß als geistlichem Beirat jüngst diesen lokalen Ableger des katholischen Sozialverbandes aus der Taufe gehoben hat. Und das in Zeiten, in denen das Verbandswesen allgemein an Zustimmung verliert und sich kaum jemand noch längerfristig an ein zeitintensives Ehrenamt binden will. „Dieser bewusste Zusammenschluss ist eine Möglichkeit, auf uns als junge Christen aufmerksam zu machen, zu sagen, dass es uns gibt und wir aus unserem Glauben heraus die Gesellschaft mitgestalten wollen“, pflichtet ihm seine Frau denn auch bei. Ziel sei, die Gottesdienste mit jugendgerechterem Input zu füllen, vor allem aber über gesellschaftsrelevante Fragen bei einem anschließenden Treffen andere mit in die Gemeinde zu holen, für Kirche zu interessieren und damit das pfarrliche Leben zu bereichern. „Wir sollten nicht vor kontroversen Debatten zurückschrecken, sondern uns einmischen und unseren katholischen Standpunkt vertreten“, ergänzt Carsten Stobbe. „Manche kennen den ja gar nicht mehr“, bedauert der 23-jährige Jura-Student. „Ich freue mich schon jetzt darauf, mit möglichst vielen bei den weiteren demnächst geplanten Folgeveranstaltungen ins Gespräch zu kommen.“
Themen aus christlicher Sicht beleuchten und damit nicht hinterm Berg halten – das ist auch das Anliegen von Brigitta Paffenholz. Die 25-jährige Betriebswirtin betont, dass es ihr um die Meinungsbildung bei ethischen, politischen und sozialwirtschaftlichen Themen geht, zu denen es auch in der Kirche eine klare Position gebe. „Einfach sehr grundsätzlich diskutieren und aus junger Sicht globale Probleme in den Blick rücken – da bin ich mit dabei“, versichert Martin Lucke, mit seinen 31 Jahren nicht nur der Älteste, sondern als CDU-Ratsmitglied in Bergisch Gladbach und Beisitzer im Kreisvorstand auch der politisch Erfahrenste in der Gruppe.
Mit dem „Gipfeltreffen der aussichtsreichsten Bürgermeisterkandidaten“, wie die KKV-Veranstaltung im Vorfeld beworben wurde, geben die jungen Leute dann auch als frisch gebackene Verbandsmitglieder einen überzeugenden Einstand und demonstrieren, wie es gehen kann, wenn man selbst das Zepter in die Hand nimmt, sich mit Gegebenem nicht einfach nur arrangiert, sondern etwas zum Positiven verändern will und Kante zeigt. Dass sie dabei nicht nur inhaltlich mithalten können, sondern auch in der Methodik fit sind, beweist dann auch ihr Umgang mit den für dieses Format eingesetzten Medien. Die digitale Interaktion mit dem Publikum – auch via Internet – ermöglicht selbst den Daheimgebliebenen die Teilnahme an der Diskussion mit live eingebrachten Fragen und eröffnet zudem die Möglichkeit, per Handy ein Stimmungsbild zu den einzelnen angesprochenen Themen wie Digitalisierung, Familie und Wohnen, Klimaschutz, Bildung und Beruf oder Glaube abzurufen. Schließlich darf jeder mitentscheiden, was an diesem Abend Priorität haben soll und zu welchen Schwerpunkten bevorzugt Statements von den Kandidaten Christian Buchen, CDU, und Frank Stein von der SPD, der gleichzeitig für die Parteien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP ins Rennen geht, erwartet werden.
Dass es bei der Abstimmung ausgerechnet das Thema „Glaube“ schwer hat, sich gegen eines der drängendsten Probleme in der 111.000 Einwohner zählenden Kreisstadt, nämlich den Spitzenreiter „Digitalisierung“, durchzusetzen und zunächst keine Lobby bekommt, liegt eher im allgemeinen gesellschaftlichen Trend und verwundert von daher auch kaum. Schließlich liegt Bergisch Gladbach beim Smart City Index, dem Digitalranking der deutschen Großstädte auf dem 80. von insgesamt 81 Plätzen. Hier also besteht nach mehrheitlichem Empfinden unbedingter Handlungsbedarf für den zukünftigen Rathaus-Chef. Da schmerzt scheint’s der Bedeutungsverlust von Kirche nicht ansatzweise so sehr wie die mangelnden Voraussetzungen für eine „digitale Schule“.
Gerade deshalb hakt Moderator Hoppe bei dem offensichtlich vernachlässigten „Nischenthema“ nach, verschafft ihm selbstverständliche Prominenz und erweist sich hier erstrecht als Gesprächspartner auf Augenhöhe. Schließlich ist ihm persönlich die Gretchenfrage ein Herzensanliegen, und so will er von dem CDU-Kandidaten Buchen wissen, woran man denn in seiner Partei noch das „C“ erkenne. Immerhin ist von diesem bekannt, dass er in der KJG groß geworden ist, am Ende KJG-Diözesanleiter war, die Partizipation von Kindern und Jugendlichen daher als Auftrag begreift und gerne von seiner kirchlich-katholischen Prägung erzählt. Doch ähnlich wie beim Thema Digitalisierung, das für Buchen geradezu eine Steilvorlage ist – zumal er hauptamtlich als Diplom-Wirtschaftsinformatiker arbeitet – muss der 40-Jährige nicht lang überlegen. „Ich bin in die CDU eingetreten, weil ihr das christliche Menschenbild zugrunde liegt, das den Menschen als Abbild Gottes betrachtet, diese Partei solidarisch unterwegs ist, für Chancengerechtigkeit sorgt, Nachhaltigkeit eine Rolle spielt und sie die christlichen Werte vertritt.“
Und auch Frank Stein – spitzfindig nach seinem letzten Kirchenbesuch befragt – argumentiert im Verlauf des Gesprächs, das beide weniger kontrovers denn mit erkennbar großem Respekt voreinander führen, als „klassisch rheinischer Katholik“, dem – wie er betont – seine 34-jährige Parteizugehörigkeit, seine 26-jährige Ehe und seit 57 Jahren seine katholische Konfession Heimat und Zuhause geben. Warum dann die Worte Glaube, Religion und Kirche kein einziges Mal in seinem 16-seitigen Wahlprogramm auftauchten, bohrt Hoppe. „Weil mein Glaube als persönliches Bekenntnis in ein solches Papier nicht hineingehört“, findet der SPD-Politiker, studierte Jurist und Stadtkämmerer von Bergisch Gladbach, unterstreicht aber zugleich die Wichtigkeit einer christlichen Sozialpolitik, das Gebot der Bewahrung der Schöpfung und vor allem seine persönliche Orientierung an einem Begriff wie Nächstenliebe. Bei solchen Themen wie auch beispielsweise bei der Diskussion um Schwangerschaftsabbruch oder den Umgang mit natürlichen Ressourcen sei er ganz nah an seiner Kirche, so Stein.
Am Ende ist es ein erbaulicher Schlagabtausch und informativer Perforceritt durch zukünftige kommunalpolitische Herausforderungen, bei denen sich beide Bürgermeisterkandidaten gleichermaßen als kenntnisreich und vertraut mit den aktuellen Missständen in ihrer Stadt präsentieren. Und sie stellen in Aussicht, die bereits bestehenden Kooperationen zwischen Kirche und Kommune noch weiter ausbauen zu wollen. Da passt schließlich auch der fast unisono formulierte Appell an alle Zuhörer, der den jungen KKV-Veranstaltern aus der Seele spricht: Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, sich an einem christlichen Wertefundament auszurichten, allen demokratischen Parteien am kommenden Sonntag eine Stimme zu geben. „Nur nicht die AfD!“
Text und Foto – Beatrice Tomasetti