Seit 60 Jahren bekämpft das Hilfswerk Misereor die strukturellen Ursachen von Armut und fördert die Hilfe zur Selbsthilfe
„Heute schon die Welt verändert?“ – diese provokante Frage steht über der Misereor-Fastenaktion 2018. Das 1958 gegründete Hilfswerk will damit auf die Ursachen von Armut und Umweltzerstörung in der Welt aufmerksam machen und dazu aufrufen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Am 18. März, dem 5. Fastensonntag findet in allen katholischen Gemeinden die Misereor-Kollekte statt.
Im Fokus der diesjährigen Misereor-Fastenaktion steht Indien. Den Leitgedanken der aktuellen Kampagne erläutert Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel so: „Misereor buchstabiert 2018 gemeinsam mit der katholischen Kirche in Indien globale Zusammenhänge neu durch. Das Bild des Hungertuches wird hier konkret: sich anschauen und fragen, was jede und jeder beitragen kann, was wir gemeinsam beitragen können, Armut zu bekämpfen, Ressourcen und Mitwelt zu schonen.“
Konkret unterstützt Misereor in dieser Fastenzeit zwei Projekte:
Im westindischen Bundesstaat Maharashtra ermutigen Mitarbeitende des Projekts JEEVAN (=Leben) der indischen Caritas die Menschen dazu, ihr Leben aus eigener Kraft zu verbessern. Sie motivieren Dorfgemeinschaften, ihre Entwicklung selbst voranzutreiben, sei es bei der Wasserversorgung, im Straßenbau oder in der Landwirtschaft. So haben beispielsweise die Bewohner des Dorfs Barhanpur die Bewässerung ihrer Felder verbessert, um unabhängiger vom unregelmäßiger werdenden Monsunregen zu sein. Mitarbeiter von JEEVAN stärken die Eigeninitiative der Dorfbewohner, damit sie ihre legitimen Rechte von den indischen Behörden einfordern.
Die Misereor-Partnerorganisation Jan Kalyan Gramin Vikas Samiti (deutsch: Vereinigung für Wohlfahrt und ländliche Entwicklung) engagiert sich für Menschen in städtischen Armenvierteln. Sie berät Bauarbeiter, Straßenverkäufer und Obdachlose und unterstützt sie durch Ausbildungszentren und politische Lobbyarbeit. JKGVS wurde 1999 von der Ordensschwester Dorothy Fernandes in Patna gegründet. Etwa zwei Drittel der rund zwei Millionen Einwohner Patnas leben in Armenvierteln, wo sie häufig von Immobilienspekulationen betroffen sind und aus ihren Siedlungen vertrieben werden. JKGVS unterstützt die Bewohner im Kampf um den Erhalt ihrer Siedlungen.
Den Impuls zur Gründung des Bischöflichen Hilfswerks Misereor gab übrigens der damalige Moitzfelder Pfarrer Prälat Jakob Holl. Er hatte von Oktober 1957 bis Januar 1958 eine Reise nach Indien unternommen und dort die Arbeit von Mutter Teresa in Kalkutta kennengelernt. Unter dem Eindruck des unvorstellbaren Elends setzte er sich nach seiner Rückkehr beim Generalvikar dafür ein, mehr gegen den Hunger in der Welt zu unternehmen und neue Organisationsformen zu schaffen. Unter dem Stichwort „Reis für Kalkutta“ richtete Holl spontan ein Spendenkonto ein und hatte binnen weniger Tage 75.000 DM gesammelt, die er an Mutter Theresa weiterleitete. In einem Begleitbrief schrieb er ihr: „Als ich in der Sterbehalle von Kalighat stand, kamen mir spontan die Worte unseres Herrn in den Sinn: Misereor super turbam – mich erbarmt des Volkes.“
Insgesamt erbrachte die Aktion „Reis für Kalkutta“ rund eine halbe Million DM.
Der damalige Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings nahm Holls Initiative zum Anlass und bat auf der Bischofskonferenz in Fulda im Herbst 1958 um die Einrichtung eines bischöflichen Hilfswerks, der „Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt“ mit der Bezeichnung „Misereor super turba“. Die Bischöfe stimmten dem Vorschlag zu. Der Name des Hilfswerks wurde auf Misereor verkürzt.
Aktuell fördert Misereor in Indien 287 Projekte mit insgesamt über 70 Millionen Euro. Damit ist Indien das größte Empfängerland von Misereor. Wer mehr über die Arbeit von Misereor in Indien und über die diesjährige Fastenaktion erfahren möchte, findet hier weitere Informationen.
Text – Martina Martschin
Foto – Misereor