Bisher mehr als 5.500 Mädchen aus der Zwangsprostitution befreit – Der Bensberger BONO-Direkthilfe e.V. beging 15-jähriges Bestehen
„Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie geliebt worden.“ Mit stockender Stimme und gesenktem Blick spricht Rani aus, was das eigentliche Trauma ihres Lebens ist. Und Muskan sagt: „Ich habe mich manchmal gefragt, warum Gott Mädchen erschaffen hat.“ Aus beiden Sätzen spricht die totale Verzweiflung. Denn tief verletzt und gedemütigt geben die beiden jungen Frauen Einblick in ihre Seele, die das Erlittene niemals vergessen wird. Der berührende Dokumentarfilm „Verschleppt. Verkauft. Gequält. Gerettet!“ von Harald Röder, der jetzt als deutsche Erstaufführung im Bensberger Rathaus gezeigt wurde und in dem die beiden jungen Frauen zu den Protagonistinnen gehören, besteht aus vielen solcher erschütternden Zitate. Regiekameramann Eckart Reichl hat eindrucksvoll Szenen eingefangen, die die Hintergrundfolie dazu bilden und dem Zuschauer stellenweise viel zumuten: Denn sie zeigen schonungslos, wozu Menschen fähig sind. Welchen Profit sie wittern, wenn sie junge Mädchen – manchmal noch im Kindesalter – aus ihren Familien in Nepal und Bangladesch verschleppen, um sie dann in den Rotlichtvierteln Indiens zu verkaufen. Und so will der Film dem Leiden unzähliger Kinder und Frauen in den dortigen Bordellen konkrete Gesichter und Namen geben; vor allem aber verfolgt er das Ziel, das Thema „Menschenhandel und Zwangsprostitution von Minderjährigen“ in die Öffentlichkeit zu tragen und auf dieses zum Himmel schreiende Unrecht aufmerksam zu machen.
Im Jahr 2002 wird in Bensberg der Verein „BONO-Direkthilfe“ gegründet, der aus der seit 1987 bestehenden Initiative „Hilfe für Maiti Nepal“ hervorgeht und den Michael Müller-Offermann und Gereon Wagener seitdem mit einem rund 20-köpfigen Mitarbeiterteam leiten. Vor wenigen Tagen nun beging das Hilfsprojekt mit dieser Film-Premiere im Bensberger Rathaus sein 15-jähriges Bestehen. Geladen waren Mitglieder, Unterstützer und Projektpartner, die die Arbeit von BONO seit vielen Jahren entweder offiziell, wie das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ in Aachen, oder aus persönlicher Überzeugung finanziell unterstützen. 100 Prozent der gesammelten Spendengelder, die sich 2016 auf über eine halbe Million beliefen, werden an die Partnerorganisationen in Nepal, Indien und Bangladesch weitergegeben. Die „Rescue Foundation“ in Indien betreibt Schutzzentren in Mumbai, Delhi, Pune und Boisar, in denen aus der Zwangsprostitution befreite Opfer vor ihren Peinigern beschützt und mit einer Vielzahl an Hilfsmaßnahmen und Therapiekonzepten für ein Leben in Freiheit stabilisiert werden.
Hier können die Mädchen nach ihrer Rettung aus den Bordellen solange wohnen, bis sie in ihre Heimat und zu ihren Familien zurückkehren können oder in der Lage sind, auf eigenen Füßen zu stehen. Es gibt eine medizinische und psychologische Betreuung, aber auch die Möglichkeit, an verschiedenen Workshops und Freizeitprogrammen teilzunehmen. Yoga, Karate, Tanzen, Handarbeiten und Malen hilft den jungen Frauen, die in der Gewalt ihrer Freier oft die Hölle erlebt haben, ihr Selbstwertgefühl wieder zu erlangen und Mut zu fassen. Neben dem normalen Schulunterricht werden zudem Ausbildungsprogramme als Krankenschwestern, Kosmetikerinnen oder Schneiderinnen angeboten. Auch wenn die Narben an Seele und Körper zeitlebens sichtbar bleiben werden, eröffnet die Rescue Foundation diesen jungen Frauen neue Perspektiven und gibt ihnen nach Jahren der Gefangenschaft und Sklaverei die Hoffnung auf Eigenständigkeit und Selbstbestimmung.
Triveni Acharya, die Gründerin und Leiterin der Rescue Foundation, stellte sich im Anschluss an die Filmvorführung gemeinsam mit Ashok Rajgor, Chef des Ermittlerteams der Organisation, der schon an vielen Polizeirazzien beteiligt war und damit an der unmittelbaren Befreiung von Mädchen aus Kellerschächten und fensterlosen Zellen, den Fragen der etwa 200 Gäste an diesem Abend. Sie erzählte davon, wie die Mädchen in den Großstädten Mumbai, Pune, Delhi und Agra aufgespürt werden, wie sie nach ihrer Befreiung gegen ihre gesellschaftliche Stigmatisierung ankämpfen, aber auch wie beglückend es zu erleben ist, wenn die Mitarbeiterinnen der Rescue Foundation ihren Schützlingen mit einer jahrelangen Betreuung wieder Selbstvertrauen zurückgeben können. Triveni Acharya ist bereits mehrfach international für ihre Arbeit ausgezeichnet worden und wird nicht müde, sich auch weiterhin für die Schwächsten einer Gesellschaft stark zu machen, in der Mädchen als Menschen zweiter Klasse gelten und ihnen ein Frauen verachtendes Gesellschaftsbild nur begrenzte Chancen einräumt.
Während der Zeit, in der die jungen Frauen in den Schutzzentren der Rescue Foundation leben, würden Gerichtsverfahren gegen die Bordellbesitzer und – soweit möglich – gegen die Schlepper eingeleitet, berichtete sie weiter. Denn die Strafverfolgung, Anklage und Verurteilung aller beteiligten Täter sind ein wichtiger Teil der Arbeit der Rescue Foundation. Als deren Präsidentin kämpft sie für Gerechtigkeit: „Es ist nicht nur unsere Verantwortung die Mädchen zu befreien und zu betreuen, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Menschenhändler, Bordellbesitzer und Zuhälter angemessen bestraft werden“, sagte Acharya, die eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin sieht, den Mädchen einfühlsam zuzuhören und für sie Ansprechpartnerin zu sein. Sie ist dafür da, dass die manchmal sogar unter Zehnjährigen lernen, ihre schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten. „Jedes Mädchen soll sein Selbstvertrauen zurückgewinnen und seine Rechte kennen, wenn es uns wieder verlässt“, formulierte sie eines ihrer Ziele. Pro Jahr rettet die Rescue Foundation zwischen 250 und 300 junge Frauen und Kinder aus der Zwangsprostitution. Insgesamt konnten bereits 5.562 Betroffene befreit werden. Triveni Acharya hat ihr Ziel fest vor Augen: „Wir werden unsere Suche nach den Mädchen solange weiterführen, bis alle gerettet sind!“
Bürgermeister Lutz Urbach, der alle Mitarbeiter der „BONO-Direkthilfe“ anlässlich ihres Jubiläums beglückwünschte, outete sich in seiner kurzen Ansprache als Vereinsmitglied von BONO. „Das, was Ihr leistet, ist großartig und wertvoll“, würdigte er die Arbeit der ehrenamtlich Tätigen. Es sei eine Freude, Teil davon zu sein, resümierte er. Er dankte nochmals besonders Vorstandsmitglied Gereon Wagener für dessen Initiative und betonte: Es sei nicht selbstverständlich, nach einer Reise aus Nepal heimzukehren und zu sagen: Ich will an diesen Zuständen etwas ändern. Gleichzeitig appellierte Urbach an die Anwesenden: „Wer soll sich denn einsetzen, wenn nicht wir. Wir haben schließlich die Möglichkeiten zu helfen.“ Das Engagement des BONO-Direkthilfe e.V. habe Vorbildfunktion.
Text – Beatrice Tomasetti
Foto – Michael Pötters