Rote Rosen, eine Einladung zum Candlelight-Dinner oder eine Liebeserklärung. Zum Valentinstag überraschen sich Verliebte gerne mit etwas Besonderem. Warum nicht mit einem Workshop wertvoller Tipps für die Partnerschaft? Zum Thema „Verantwortung für meine/Deine Welt – (Paar-) Beziehung gestalten“ spricht die Kölner Paartherapeutin Silke Pescher an diesem Dienstag um 19.30 Uhr im Gladbacher Laurentiussaal. An Beispielen aus ihrer Praxiserfahrung zeigt sie, wie wertvoll es für Beziehungen ist, wenn Menschen ihre eigenen Bedürfnisse erkennen und benennen können, also Verantwortung für sich selbst übernehmen, aber auch für den anderen und zwischen beidem die richtige Balance finden.
Frau Pescher, ein Drittel aller Ehen werden geschieden. Woran liegt das? Geben Paare zu schnell auf, oder machen sie sich falsche Vorstellungen von einer auf Jahrzehnte hin angelegten Lebensgemeinschaft?
Silke Pescher (Paartherapeutin): Das ist die falsche Frage. Die richtige wäre: Wo finden wir eigentlich nützliche Werkzeuge, um mit der Entwicklungssituation von Paaren umzugehen? Denn der Mensch ist nun mal ein Entwicklungswesen. Wir erlernen Sprachen und Techniken, aber nicht, wie man sich als Paar weiterentwickelt. Gerade die Kirche bietet da eigentlich eine Menge an, aber das wird nicht unbedingt abgerufen. Es gilt nicht als chic, sich Unterstützungsangebote in Persönlichkeitsfragen zu suchen. Dabei ist das ein zutiefst sinnvolles Angebot, sich um die Paarpflege, wie ich das nenne, zu kümmern und darum, gemeinsam Visionen zu entwickeln, sich immer mal wieder zu erlauben, aus dem Alltagstrott auszusteigen. Viele haben nicht gelernt zu fragen: Was will ich eigentlich wirklich?
Es hält sich das Vorurteil, wer Paartherapie in Anspruch nimmt, kriegt es nicht auf die Kette. Wir sollten das anders bewerten. Schließlich sind wir keine Mangelwesen, wenn wir uns Hilfe holen. Manchmal braucht es ein Burnout, um in ein gutes Leben zu finden und Strategien zu entwickeln, wie mein Leben gelingen kann. Aber so weit muss es doch gar nicht erst kommen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass sich Paare viel früher zum Gelingen ihrer Beziehung Beratung holen sollten, damit Bedürfnisse offen ausgesprochen werden können und man sich – selbst bei einer ganz unterschiedlichen Entwicklung – nicht völlig voneinander weg bewegt. Buntheit in Paarbeziehungen muss erlaubt sein. Also: Es geht um das individuelle Bedürfnis der Frau oder des Mannes und nicht um die aus der Gesellschaft übernommenen Vorstellungen, wie man als Paar zu sein hat.
Also statt bei der ersten Schwierigkeit sofort auseinanderzulaufen, sollte ein Paar zunächst einmal auf die eigenen Ressourcen schauen?
Pescher: Mein Herzensthema ist, dass Menschen ihren richtigen Platz finden. Ich helfe dabei, mehr zu sich zu kommen und in der Paarbeziehung zu bleiben. Jeder muss zunächst einmal verstehen, dass er okay ist und einen guten Grund für sein Verhalten hat. Denn wir alle haben Bilder davon, wie wir zu sein haben, weil das Muster sind, die wir aus unserer familiären Prägung oder auch von der Gesellschaft übernehmen. Oft werden wir mit negativen Etiketten versehen, weil wir als Paar einem bestimmten Bild nicht entsprechen. Dabei haben wir in der Tat mitunter falsche Vorstellungen von unserer Paarbeziehung und knüpfen daran auch unglaubliche Erwartungen, was ganz klar eine Hypothek ist, mit der ich in eine Paarbeziehung einsteige. Auf der einen Seite gibt es da die traditionelle Vorstellung einer Ehe: Man nimmt hin, wie es ist, und bleibt zusammen. Auf der anderen Seite aber steht das Bedürfnis nach Selbstfindung, Individualisierung und Individualität. Wir haben schlichtweg nicht gelernt, beides zusammenzubringen und bewegen uns hier in einem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Vorstellungen, denen wir gerecht werden wollen, und dem Selbstoptimierungszwang des Individuums, das Beste aus sich herauszuholen.
Hinzu kommt, dass in unserer Elterngeneration wenig Raum für eigene Bedürfnisse war, wir uns da nichts abschauen konnten. Eine Paarbeziehung aber ist – wie auch das ganze Leben – ein Entwicklungsprozess und richtig, richtig viel Arbeit. Ein Paar zu werden ist ein Statement, aber keine Vision. Die aber ist unabdingbar – woran sich Fragen knüpfen wie: Wohin wollen wir uns eigentlich entwickeln? Wie wollen wir zusammen alt werden? Wie wollen wir uns in einer Beziehung fühlen, und wie können wir das gestalten? Dazu gibt es keine Kultur, in der Regel sind wir zu sehr mit Funktionieren beschäftigt.
Gibt es da zwischen Männern und Frauen Unterschiede, oder sehen das beide ähnlich?
Pescher: Männer haben es ungleich schwerer, sich aus der Familienversorgernummer herauszuschälen. Frauen haben daran mehr gearbeitet, überfordern sich dann aber gerne in der neuen Rolle. Ein Paar zu werden, bekommen beide noch ganz gut hin. Wenn dann aber Kinder kommen, arbeiten Frauen meist nur noch Teilzeit und Männer arbeiten mehr als vorher. Das heißt, wir tragen biografische Herkunftsmuster in uns und fallen wieder in alte Rollenbilder zurück, was eine komplette Überforderung für eine Paarbeziehung ist, weil wir uns auf vielen Gebieten bereits emanzipiert haben. Über die Partnerschaft versuchen wir dann unbewusst, etwas in Heilung zu bringen, was an Sehnsucht und Entwicklungswunsch in uns ist. Denn in der Regel versorgt der Partner, den ich mir aussuche, ein Bedürfnis, das ich tief in mir trage und was über ihn gestillt wird. Das sind oft unbewusste Vorgänge, über die auch meist keine Kommunikation stattfindet, so dass sich mangelnde Verständigung dann als großer Stolperstein, manchmal auch als tiefer Schmerz entpuppt. Damit fehlt etwas ganz Entscheidendes: die Brücke zueinander, ohne die Paarbeziehung nicht gelingen kann.
Im Grunde versuchen wir als Erwachsene immer noch, die guten Kinder für unsere Eltern zu sein, die sich diese gewünscht haben. Diese Muster sind stärker als die Sehnsüchte, die über unseren Partner geweckt werden, da sie sehr viel älter und damit – wie gesagt – sehr prägend sind. Unbewusst sucht jeder einen Partner, um eine Lücke zu füllen, die aus der eigenen Biografie heraus entstanden ist. Wir fühlen uns unsicher, weil wir glauben, nicht zu genügen, nicht ausreichend zu sein. Die Frau, die Verlustängste hat, wird eifersüchtig. Der Mann, der zu viel arbeiten geht, holt sich die notwendige Selbstgewissheit und Sicherheit im Büro. Eigentlich brauchte jeder Mensch eine Psychotherapie, um zu verstehen, warum er so handelt, wie er handelt. Deshalb bin ich auch dafür, dass eine solche hilfreiche psychotherapeutische Begleitung aus der Schmuddelecke heraus muss. Denn sich Hilfe zu holen, ist auch ein Zeichen von Mut und keine Bankrotterklärung. Die meisten Paare holen sich erst Hilfe, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
In Ihrer langjährigen Praxis begegnen Ihnen sehr unterschiedliche Paare mit sehr individuellen Problemen. Gibt es dennoch ein großes Überthema gewissermaßen als gemeinsamen Nenner, an dem Mann und Frau arbeiten könnten?
Pescher: Ja, Paare sollten verstehen lernen, dass sie nicht „Opfer“ einer Situation sind, und mehr ihre Gestaltungsräume ergreifen. In der Paartherapie versuchen wir herauszufinden, wo ein Paar zwischen den Polaritäten Autonomie und Bindung, Geben und Nehmen oder Anpassung und Durchsetzen gerade steht. Ziel ist eine Gestaltungsperspektive. Wer die entsprechenden Werkzeuge dafür bekommt, kann in die Zukunft hinein gestalten. Darum geht es.
Eine Methode kann das „Drama-Dreieck“ mit „Opfer“, „Held“ und „Täter“ sein, um Dynamiken innerhalb einer Beziehung deutlich zu machen. Mithilfe dieses Dreiecks finden wir heraus, welches Drama gerade gespielt wird und wer welche Rolle dabei einnimmt, wobei solche Zuschreibungen meist nicht aus böser Absicht geschehen, sondern das mit unseren erlernten Mustern zu tun hat. Wenn ich weiß, ob ich gerade Opfer oder Täter bin, mir das also bewusst mache, kann ich auch aussteigen. Denn dann verstehe ich auch, welches Bedürfnis hinter meinem Handeln steht.
In einer Paarbeziehung geht es doch immer auch um Verantwortung…
Pescher: Natürlich. Die Frage nach der Verantwortung für mein Handeln bzw. die Gestaltung meines Lebens und meiner Paarbeziehung ist fundamental. Nämlich indem ich Antworten finde auf das, was mir wirklich wichtig ist. Mir ist es ein Anliegen, dass Menschen mit sich sind, in Freiheit, sich gut finden und verstehen, warum sie handeln, wie sie handeln. Denn dafür gibt es immer einen guten Grund. Nur so haben sie auch eine Chance als Paar. Wenn es jemandem gut geht und jeder für sich selber gut sorgt, ist für alle gesorgt. Das ist mein Beitrag zum Weltfrieden, dabei zu assistieren, dass sich jemand heil und ganz fühlt und seinen eigenen Wert, die eigene Besonderheit erkennt. Dann können wir auch die Individualität des anderen anerkennen, hören auf, Spiele zu spielen und andere zu verurteilen für das, was sie tun oder sind.
Am heutigen Valentinstag laden Sie zusammen mit der Katholischen Beratungsstelle EFL, der Katholischen Familienbildungsstätte und dem Katholischen Bildungswerk in Bergisch Gladbach zu einem Abend für Paare ein, der nicht unbedingt physische Präsenz erfordert, da er auch live gestreamt wird. Worauf dürfen sich Mann und Frau freuen?
Pescher: Eine lebendige Paarbeziehung liebt die Freiheit, Freude und vor allem Visionen. Für Paare stellt sich doch die Frage: Worüber wollen wir uns definieren? Wohin wollen wir uns entwickeln? Ganz wichtig ist ein gemeinsames Drittes: zum Beispiel Kinder oder ein Hobby wie Reisen oder der Garten, worüber Paare miteinander eng verbunden sind. Bei gläubigen Paaren, die eine sakramentale Ehe schließen, ist Gott der Dritte mit im Bund. Auch das schafft Bindung jenseits aller Schwierigkeiten und Konflikte, kann zusammenhalten und sogar ein ganz starkes Motive für Paare sein, an sich zu arbeiten. Tatsache ist, es braucht etwas, was zwei Menschen zusammenhält, worauf man sich bezieht. Und es braucht etwas, was lebendig bleibt. Von all dem werde ich heute Abend bei diesem Workshop erzählen und auch zu kleinen Übungen animieren.
Am Valentinstag wird die Liebe gefeiert. Was würden Sie Menschen, die verliebt sind oder sich auch schon jahrzehntelang in Liebe verbunden sind, gerne mit auf den Weg geben?
Pescher: Ich will Paare stärken. Das sind mein Ansatz und meine Motivation. Dabei bin ich fest davon überzeugt, dass eine solche Stärkung – steigen Paare erst einmal aus ihrem Vorwurfskarrusel aus – in vielen Fällen auch gelingt. Noch einmal: Ganz wichtig ist, Verantwortung für sich, für das, was einem wichtig ist, aber auch für den anderen zu übernehmen. Dabei leiten uns Fragen wie: Was sind meine Werte im Leben? Wo liegen meine Bedürfnisse? Und wie stelle ich mir ein gutes Leben mit meiner Partnerin, meinem Partner vor? Erst wenn ich weiß, was ich wirklich will und was nötig ist, um mich lebendig zu fühlen, kann ich mich in Teilen auch unterordnen, dem anderen entgegenkommen. Ich will Paare dazu befähigen, die Dynamik in Paarbeziehungen aufgrund der eigenen Entwicklungsgeschichte zu verstehen und damit aktiv zu gestalten. Auf dieser Grundlage entscheide ich mich jeden Tag neu für meinen Partner.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti
Die Veranstaltung kann zeitgleich auch im Livestream mitverfolgt werden unter www.bildungswerk-gladbach.de.