Edith Stein in Bensberg ein Denkmal gesetzt

Der Wesselinger Künstler Paul Nagel ist mit 90 Jahren in Köln gestorben

Dass es im Erzbistum Köln eine lebhafte Edith Stein-Verehrung gibt, verdankt sich nicht zuletzt der Tatsache, dass die ehemalige Jüdin und spätere Kölner Karmelitin 1987 von Papst Johannes Paul II. zunächst selig und zwölf Jahre später dann auch heilig gesprochen wurde. Die „Erhebung zur Ehre der Altäre“, wie die sogenannte Beatifikation im kirchlichen Vokabular heißt, erfolgte damals in Köln, die Kanonisation in Rom. Die Konvertitin, die sich 1922 taufen ließ und 1933 als Postulantin in den Kölner Karmel eintrat, lebte schon früh die Ausnahmeform weiblicher Existenz – auch das machte ihre Besonderheit aus: intellektuelle Selbständigkeit als Beruf.

Für den Kölner Metallbildhauer und Kunstschmied Paul Nagel wurde die Auseinandersetzung mit der in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Biografie Edith Steins, die bei ihrem Eintritt ins Kloster den Namen Schwester Teresia Benedicta a cruce annimmt und 1942 in den Gaskammern von Auschwitz umkommt, in gewisser Weise zum Lebensthema. Denn gleich an mehreren Orten hat der Künstler ihr – nach eingehender Beschäftigung mit ihren philosophischen Schriften – ein Denkmal gesetzt. So auch in Bensberg. Nun ist Paul Nagel 90jährig gestorben und hinterlässt mit der Edith Stein-Kapelle im Kardinal-Schulte-Haus, mit deren Ausgestaltung er Mitte der 1980er Jahre im Auftrag Joseph Kardinal Höffners begann, eine Art Gesamtkunstwerk zum Leben und Wirken dieser großen Ordensheiligen, wie es auch später noch einmal in ähnlicher Weise in der Würzburger Karmelitenkirche und in der Taufkirche Edith Steins in Bad Bergzabern aus seiner Hand entsteht. In allen drei Kirchenräumen arbeitet er viele Jahre an einer berührenden Veranschaulichung der Lebensgeschichte Edith Steins und ihres beispiellosen Glaubenszeugnisses.
In Bensberg legt Paul Nagel seinem künstlerischen Konzept die Hauptschrift Edith Steins zugrunde: „Endliches und ewiges Sein“. Der untere Teil des Kapellenraumes vergegenwärtigt die menschliche Endlichkeit. Er ist ganz auf den Tod Edith Steins im Konzentrationslager hin konzipiert und empfindet die Wirklichkeit dieses Lagers nach: durch die Gestaltung der Mauern, die Farbe von geronnenem Blut in den Fenstern, das dunkle Olivgrün und die Stacheldraht-Bindungen der Bänke, das vergitterte Fensterchen zur Sakristei. Die Kuppel hingegen zeigt und symbolisiert das Ziel allen Lebens und Sterbens – erst recht des Martyriums: den Himmel.

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Aber noch vor dem Eintritt ins Kapelleninnere berichtet eine Bildergeschichte auf dem Triptychon des kleinen Vorraums von den wichtigsten Lebensstationen der 1891 in Breslau geborenen Heiligen: Die kleinteiligen Gemälde skizzieren sie als Krankenschwester im Seuchenlazarett, bei Gebet und Studium, als Lehrerin am Mädchenlyzeum in Speyer, mit Gefährtinnen in Auschwitz, während der Aufzeichnung ihres letzten Buches „Kreuzeswissenschaft“, mit ihrer alten Mutter in der Breslauer Synagoge und schließlich kurz vor ihrer Entscheidung, in den Karmel einzutreten. Christus als Schmerzensmann im Zentrum des Bildes wie auch als Mittelpunkt im Leben Edith Steins wird hier eine bewusst gewollte Doppelfunktion zuteil.
Die Deckenmalerei in der Laterne greift – gemäß griechischen und lateinischen Schriftsätzen aus dem Buch Sirach – thematisch den erlösenden Christus auf, der den gefesselten Menschen von seinen Qualen befreit und mit dem Kreuz die Macht des Bösen zerstört. Themen aus dem Alten Testament und der Offenbarung des Johannes vervollständigen das von Nagel entworfene Gesamtkonzept, das von einer reichen Symbolsprache lebt. In farblicher Harmonie und Entsprechung zur Malerei ist der mit einem steinernen Blattrelief umrankte Altarblock aus rotem Travertin errichtet. Ins Portal eingearbeitet sind die vier Heiligen, die eng mit der Vita und Philosophie Edith Steins in Zusammenhang stehen: Teresia von Avila, Johannes vom Kreuz, Benedikt von Nursia und Thomas von Aquin.

Der in den unterschiedlichsten Disziplinen versierte Künstler gestaltete neben den Haupteinrichtungsstücken Altar, Tabernakel und Ambo aber auch den schwebenden Lichterkranz der als Zentralbau konzipierten Kapelle, die Kreuzigungsgruppe des Altarbildes, die Fenster und den Orgelprospekt. Paul Nagel war ein tiefreligiöser Mensch und verstand seine Kunst als Dienst. Das hat er immer wieder selbst zu verstehen gegeben. Dabei kam sein künstlerisches Schaffen in sehr unterschiedlichen Auftragswerken zum Ausdruck: in Skulpturen aus Stein, Bronze oder Holz genauso wie in Altarretabeln oder großen Wand- und Deckengemälden. Er plante immer wieder die gesamte Innenarchitektur von Kirchen, inklusive Fußbodenbeläge. Er wählte geeignete Beleuchtungsmittel sowie Bänke und entwarf ganze Altarräume. Sein größtes Schmiedewerk ist der fast 60 Meter lange und bis zu 3,80 Meter hohe Eisengitterzaun vor der südlichen Querfassade des Kölner Domes, der die Kathedrale vor Vandalismus schützen soll. Sein berühmtester Export ist zweifelsohne das Kuppelkreuz auf der Grabeskirche in Jerusalem, und seine imposanteste Skulptur aus Carrara-Marmor ist wiederum Edith Stein gewidmet: Sie steht seit 2006 in einer Nische der Außenwand des Petersdoms in Rom und gilt als Schenkung Kardinal Meisners an den damaligen Papst Benedikt XVI.

Paul Nagel hat sich jahrzehntelang immer wieder mit dem Leben von Edith Stein beschäftigt. Nur weil er sich ihr über die Lektüre ihrer Literatur so intensiv näherte, konnte er ihren Weg bis zu ihrem grausamen Tod im Konzentrationslager auch so authentisch nachzeichnen und für die Nachwelt detailreich verlebendigen. So ergibt das gesamte Interieur der Bensberger Edith Stein-Kapelle letztlich das vollständige Bild eines ganz außergewöhnlichen Lebensentwurfes: Zunächst widmete sich die ambitionierte Studentin den Fächern Germanistik, Geschichte und Psychologie an der Universität Breslau. Später erweiterte sie ihre Wahl in Göttingen um die Fakultät der Philosophie, in der sie dann 1916 bei Edmund Husserl in Freiburg promovierte und seine wissenschaftliche Assistentin wurde. Nur der Wunsch, sich schließlich auch zu habilitieren, wurde gleich mehrfach abgewiesen und machte einem weiteren akademischen Streben ein Ende. Paul Nagel hat einmal über die Heilige ohne Grab gesagt: „Physisch wurde Edith Stein vernichtet, doch sie ist lebendig in der Wirklichkeit.“ Edith Stein lebe in Christus. „Denn Gott lässt seine Geschöpfe nicht im Stich.“

Text – Beatrice Tomasetti
Foto – Markus Bollen