Die Ergebnisse einer Kooperation zwischen der Bensberger Pfarrei St. Nikolaus und der Technischen Hochschule für Architektur in Köln können sich sehen lassen
Michael Weyck und Jonas Winkels haben sich für eine komplette Umgestaltung entschieden. Dem Hauptportal von St. Nikolaus haben sie eine große Freitreppe vorgelagert und die Kita unterhalb des Vorplatzes abgerissen bzw. mal eben aus dem Weg geräumt. Auf dem Reißbrett ein Kinderspiel. „Wir wollten diesen wunderbaren Kirchturm stärken und dem Raum unmittelbar davor wieder zu einer Prominenz verhelfen. Gleichzeitig soll mit dieser Lösung der Blick geöffnet werden“, argumentieren sie. Überhaupt haben die beiden nach allen Seiten rundum die Kirche viele Zugangswege geschaffen und dafür an allen Seiten Öffnungen eingeplant. Die Jury konnte das Duo mit diesen Überlegungen überzeugen. Am Ende werden sie für so viel planerischen Mut mit dem ersten Platz belohnt.
Denn 120 Studenten der Technischen Hochschule für Architektur in Köln haben sich in den vergangenen Monaten mit dem Kirchenareal der Bensberger Pfarrei St. Nikolaus beschäftigt. Auf der Grundlage einer Gemeindebefragung, die dieser Kooperation vorausgegangen war und bei der pastorale Schwerpunkte herausgearbeitet werden konnten, die den Menschen am Ort wichtig sind, war den Studierenden die Aufgabe gestellt worden, sich mit den Ergebnissen dieser Erhebung vertraut zu machen, um dann daraus eine architektonische Idee für die Umgebung der Pfarrkirche abzuleiten. Was die Sache etwas erleichterte: Sie durften ohne ein finanzielles Korsett denken und einmal Visionen für ein neues Gemeindezentrum – allerdings unter Berücksichtigung der bestehenden Bausubstanz – entwickeln.
„Wir sitzen hier auf einer Scholle“, deutet Michael Weyck auf das Pappmodell und erklärt, dass das sakrale Zentrum auf einem Plateau liegt, das weltliche auf einer unteren Ebene. „Ein ‚Dorf im Dorf’ war unsere Idee, um grundsätzlich für die Menschen rund um St. Nikolaus Anreize zu schaffen, die Umgebung der Kirche neu zu beleben“, betont er. Eine neue Kita, nur etwas versetzt, soll dann doch auch wieder in das neue Baukonzept einbezogen werden, um auch den jüngsten Gemeindemitgliedern unmittelbaren Kontakt zu ihrer Kirche zu ermöglichen, wenn sie beispielsweise die Stufen hinaufkrabbeln. Auch daran wurde also gedacht. Entsprechend intensiv war der Prozess, auf den sich die angehenden Architekten im vergangenen Semester eingelassen haben, als sie an den ersten Skizzen saßen und an diesen dann immer wieder nachbesserten.
Die fünf besten dieser studentischen Arbeiten – Modelle und Pläne – sind nun im Kirchenraum von St. Nikolaus ausgestellt und können dort zu den Öffnungszeiten der Kirche besichtigt werden. Eine Jury aus Fachleuten der TH, aber auch Mitglieder des Kirchenvorstandes und des Pfarrgemeinderates von St. Nikolaus sowie Pfarrer Andreas Süß hatten die Entwürfe nach ihrer architektonischen und städtebaulichen Qualität bewertet und unter insgesamt 19 die ausgewählt, die sie als besonders gelungen oder auch originell betrachteten. Sie setzen nach Expertenmeinung das Input, das aus der Gemeinde selbst gekommen war, architektonisch am überzeugendsten um. Professor Rüdiger Karzel, Dozent an der TH und Projektleiter dieser erstmaligen Kooperation zwischen einer Kirchengemeinde und der TH, nennt die Kriterien der Aufgabenstellung: Realitätsnah und nachhaltig sollten die Entwürfe sein. Nun ist der Experte selbst erstaunt, welches Potential seine Studenten in den bestehenden Gebäuden ausgemacht haben. „Ein ganzes Spektrum an kreativen Lösungen“ gebe es jetzt für die Kirche auf dem Berg: vom minimalinvasiven Eingriff in den Baubestand bis zur radikalen Neugestaltung des gesamten Kirchberges, der die neugotische Kirche auf einen Sockel hebe, resümierte er bei der Vorstellung der Siegerentwürfe. In einer kleinen Broschüre des Generalvikariates zu dieser Semesteraufgabe schreibt Karzel: „Die neogotische Kirche ist als dritte Stadtkrone – neben dem Schloss und dem Rathaus von Gottfried Böhm – ein weithin sichtbares Zeichen für Bensberg.“ Aber das kirchliche Umfeld mit Bestandsbauten aus den 50er bis 80er Jahren habe großes Verbesserungspotential.
Wie wollen wir Kirche sein? Und welche Gebäude benötigen wir für unsere Pastoral? Das ist die Frage, die Pfarrer Süß umtreibt. Für ihn machen Gebäude nur Sinn, wenn sie auch mit Menschen gefüllt werden und diese eine Willkommenskultur leben, die auf andere einladend wirkt. „Die architektonische Attraktivität unseres Kirchturms weit über der Stadt ist nur dann von Relevanz, wenn es auch die Menschen mit ihrer Liebenswürdigkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft sind, die auf andere auszustrahlen.“ Es gehe primär um Austausch und Glaubensweitergabe, benennt er seine Vorstellungen von Seelsorge. „Wir wollen nicht unter uns bleiben, sondern auf Wachstum setzen. Und nur dafür, dass wir unseren Glauben und unser Leben miteinander teilen, brauchen wir auch die entsprechenden Räume, die nach allen Seiten offen sind“, argumentiert Süß bewusst doppeldeutig. Dann aber könnten sie die Seelsorge einer den Menschen zugewandten, offenen Kirche am Ort unterstützen. „Die Pastoral bestimmt die Räume“, so sein Credo.
Süß freut sich über den positiven Impuls, den diese erstmalige Kooperation zwischen der TH und einer Kirchengemeinde im Erzbistum mit sich gebracht hat, auch wenn völlig unklar ist, ob es je zu einer Realisierung eines dieser Entwürfe kommen wird. Ihm und der Gemeinde stehe durch die studentischen Projekte nun aber ein Ideenpool für die zukünftige Entwicklung des Kirchenumfeldes zur Verfügung, so Süß. „Ich bin von dem Know-how aus der Wissenschaft sehr berührt“, kommentiert er die sehr unterschiedlichen Ansätze der Studenten.
„Die vorgestellten Entwürfe zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem gestellten Thema“, kommentiert Monsignore Markus Bosbach, Leiter der Hauptabteilung Seelsorgebereiche im Generalvikariat, in einem Vorwort des zur Ausstellung erschienenen Heftes. „Die Arbeiten sind ein wichtiger Beitrag für die Diskussion über den richtigen Weg in die Zukunft für diese zentrale Präsenz der Katholischen Kirche in Bensberg.“ Die lehrstuhlübergreifende Bearbeitung einer möglichen Zukunftsperspektive für den Standort St. Nikolaus habe ein weites Spektrum an Lösungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Schwerpunkten aufgezeigt. Bosbach betont, es sei gut, wenn die Suche von Kirchengemeinden nach Antworten auf die geänderten pastoralen, finanziellen und baulichen Herausforderungen unserer Zeit nicht nur innerkirchlich diskutiert würden, sondern in einem breiteren gesellschaftlichen Diskurs zu tragfähigen Zukunftslösungen heranreifen. „Vor diesem Hintergrund sind für das Erzbischöfliche Generalvikariat und die Kirchengemeinden Kooperationen mit Universitäten und Hochschulen von ganz besonderem Wert, weil durch den freien Denk- und Experimentierraum der Hochschulen der Blick über den Tellerrand besonders gut gelingt.“
Text und Fotos – Beatrice Tomasetti