Weihbischof Puff im Austausch mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern des Hospizes über den Sinn von Leiden
„Ich bin Ihnen von Herzen dankbar, dass Sie das aushalten! Hier habe ich viel berührendes Engagement erlebt. Was Sie tun, ist ein konkretes Werk der Barmherzigkeit.“ Als sich Weihbischof Ansgar Puff aus der Gesprächsrunde mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern verabschiedet, liegt ein intensives Gespräch hinter allen Beteiligten. „Leiden, sterben, auferstehen…“ hatte thematisch über dieser Begegnung gestanden, deren Zielvorgabe darin lag, sich einer der schwierigsten Fragestellungen der menschlichen Existenz anzunähern: dem „Warum“ des Leidens und einer wie auch immer gearteten Sinnhaftigkeit, die Trost bedeuten kann und nicht in den Abgrund führt. Denn die Frage nach der Theodizee, das heißt, warum Gott Leiden, wie das an einer schweren Krankheit oder nach einem Erdbeben oder Flugzeugabsturz, überhaupt zulässt, gehört zu den schwierigsten und bedrängendsten Fragen, die sich dem christlichen Glauben stellen. Gleichzeitig, so der Seelsorger in seinem Impuls, dürfe Gott diese Frage zu Recht gestellt werden. „Denn zu ihm können wir auch mit den quälendsten unserer Anliegen kommen. Schließlich werden Sie jeden Tag im Hospiz mit dem ‚Warum’ des Leidens konfrontiert und müssen ertragen, dass es keine Antwort darauf gibt.“
Mit einem Textauszug aus dem Apostolischen Schreiben Papst Johannes Paul II. „Salvifici doloris“ von 1984 eröffnete der Bischof den Austausch und las aus den Betrachtungen des später schwer an Parkinson erkrankten Kirchenoberhauptes vor. Dem Zusammenhang von Leid als Strafe erteilte der Bischof eine klare Absage. Auch wenn die Menschen zu früheren Zeiten an eine Kausalität geglaubt hätten, sei die Theologie da mittlerweile doch schon sehr viel weiter. Selbst Hiob aus dem Alten Testament, der alles verlor – Wohlstand, Familie, Gesundheit –, habe schon zu seiner Zeit die hohlen Phrasen derer durchschaut, die ihm eine Mitschuld an seinem Elend andichten wollten. „Leid ist keine Strafe für begangenes Unrecht“, unterstrich Puff. Allerdings mahnte er, sich gegen die zerstörerische Kraft des Leidens zu stemmen. Aus eigener Anschauung sagte er: „Wenn man einmal ganz unten, an einem absoluten Tiefpunkt angekommen ist, macht man eine Gotteserfahrung.“ Er selbst habe erlebt, in dieser Situation einem guten Gott begegnet zu sein. „Und wenn man dann dieses Leiden annehmen kann, habe ich gelernt, dass es die Seele nicht mehr zerstört“, so die Mut machende Botschaft Puffs. Auch wenn Jesus selbst elendig mit der Frage gestorben sei „Wo ist denn jetzt Gott?“, sei letztlich er es, „der im Leiden bei uns bleibt, uns niemals alleine lässt und uns zu einem ewigen Leben in seiner Nähe führt“.
„Sie unterstützen die Menschen hier im Hospiz dabei, in ihrem Leiden noch etwas Gutes zu finden“, wandte er sich an die ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und –helfer. „Gott schickt Sie mit Ihrem unersetzlich wertvollen Dienst zu den Schwerstkranken und Sterbenden, damit diese eine Ahnung davon bekommen, in ihrer Not und mit ihren Ängsten nicht allein zu sein. Und davon: Da ist jemand, der das Schwere mitträgt. Sie sind die Engel Gottes, die auffangen, ermutigen, konkrete Hilfestellung leisten.“ Dass das Annehmen eines solchen Leidens – wenn überhaupt möglich – oft ein Prozess und zudem ein gutes Stück harte Arbeit bedeutet, schilderte Seelsorgerin Sr. Reginata Nühlen aus ihrer über 35jährigen Tätigkeit in der Sterbebegleitung. Da das „Warum“ keine befriedigende Antwort liefere, könnte ein Perspektivwechsel mit der alternativen Fragestellung „Wohin“ eventuell hilfreich sein, gab sie zu bedenken: Wohin bin ich mit meinem Leiden unterwegs?
Hospizdienst-Koordinatorin Anna Staub-Herzog indes räumte ein, dass die Suche nach Antworten auf die sogenannten letzten Fragen mitunter den Patienten gegenüber ein Stammeln sei, ein Herantasten über Bilder. Außerdem mache es einen großen Unterschied, erzählte sie mithilfe einer Metapher, ob ein Sterbender sein Leben geben könne – der Sterbeprozess also etwas Sanftes an sich habe – oder aber es ihm entrissen würde. Dennoch sei es ein erfüllender Dienst, dabei zu helfen, die letzten Dinge für diese Patienten zu tun, bei bislang Unerledigtem zu assistieren oder eben auch schon mal auszuhalten, dass eine letzte Versöhnung nicht stattfinden kann. Überhaupt gelte es immer wieder vorrangig – gerade beim Sterben noch junger Menschen – dieses Leiden gemeinsam mit dem Sterbenden und seinen Angehörigen zu ertragen.
Vor diesem intensiven Austausch hatte der Kölner Weihbischof gemeinsam mit Pfarrer Andreas Süß, dem Krankenhausseelsorger Pater Jozef Zablocki, den Ordensschwestern und den Mitarbeitern des Palliativ- und Hospizzentrums Eucharistie in der Krankenhauskapelle gefeiert und sich zunächst auch einen atmosphärischen Eindruck vom Hospiz verschafft. Dabei erläuterte Chefarzt Dr. Stefan Korsten, verantwortlich für die palliativmedizinische Versorgung im Hospiz, wie segensreich auch die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) zu Hause sei, von der noch einmal doppelt so viele Patienten wie auf Station profitierten. Er schilderte die „extrem hohe Akzeptanz“ dieser Betreuungsleistung und betonte, dass die Pallottinerinnen damals unter den ersten Initiatoren bundesweit gewesen seien, die den Hospizgedanken aufgegriffen und umgesetzt hätten. Versorgungstechnisch werde alles hochprofessionell geregelt – aber zugleich mit ganz viel Herz, so Korsten. Wobei die hohe Kunst eben gerade darin bestehe, stets das Wohl des Patienten ins Zentrum zu rücken und nicht alles immer bis zum letzten Atemzug auch zu veranlassen, was medizinisch machbar sei.
Text und Foto – Beatrice Tomasetti