Interview mit der neuen PGR-Vorsitzenden Sonja Cetraro
Im vergangenen Herbst wurde ein neuer Pfarrgemeinderat gewählt. An seiner Spitze steht seit der konstituierenden Sitzung am 18. November Sonja Cetraro, die in Moitzfeld aufgewachsen ist und in St. Joseph ihre spirituelle Heimat hat. In einem Interview spricht die 30-Jährige über ihr kirchliches Engagement, den Wunsch nach Mitgestaltung und ihre Vision einer zukunftsfähigen Glaubensgemeinschaft.
Frau Cetraro, Sie sind in der katholischen Jugendarbeit groß geworden, waren Messdienerin und später in Leitungsfunktion bei der KjG in Moitzfeld. Dann haben Sie katholische Theologie studiert und sind heute Grundschullehrerin. Mit nur 30 Jahren an die Spitze des Pfarrgemeinderates gewählt worden zu sein und nun in diesem wichtigen Laiengremium Verantwortung zu tragen und Weichen stellen zu können, ist sicher auch etwas, das sich unter dem Stichwort „Perspektivwechsel“ fassen ließe. Nun gilt es, innerhalb der Gemeinde eine gänzlich neue Rolle einzunehmen…
Cetraro: Als ich mit Mitte 20 als Jugendleiterin den Jüngeren das Feld überlassen habe, war es mein erklärter Wunsch, mich weiterhin in der Kirche aktiv zu engagieren. Ich wurde Lektorin und Kommunionhelferin, blieb innerhalb meiner Generation in dieser neuen Aufgabe aber so ziemlich alleine. 2016 wurde ich dann in den Arbeitskreis „Pastoraler Zukunftsweg“ berufen, in dem ich weiterhin daran mitwirken kann, dass meine Altersgruppe bei der Mitgestaltung von Gemeindeleben vertreten bleibt. Während ich beobachte, dass sich Freunde aus der KjG-Zeit vom Feld Kirche verabschiedet haben, ist mir wichtig geblieben, das Leben innerhalb der Gemeinde weiterhin für andere attraktiv zu machen. Auch wenn unser Konzept zum „Pastoralen Zukunftsweg“ bereits steht, bleibt dieser Auftrag doch ein Prozess, an dem ich beteiligt bleiben und für den ich auch andere gewinnen will. In diesem Kreis haben wir so viele Ideen, Anregungen und Vorschläge entwickelt. Manche Projekte, wie die „Tag des Lichts“ oder das „Glaubensforum im Internet“, das bald online gehen wird, sind Früchte dieser Überlegungen. Da sollte nichts einschlafen…
Die Laienarbeit hat – gerade auch im Erzbistum Köln – eine deutliche Aufwertung erfahren. Gleichzeitig sind Sie als katholische Religionslehrerin mit der „missio“ kein „Libero“, sondern an die Lehre der Kirche gebunden. Wo sehen Sie sich selbst zwischen dem Hauptamt einerseits und einem ziemlich intensiven Ehrenamt andererseits?
Cetraro: Ohne Laien in liturgischer Verantwortung wird es dauerhaft nicht gehen. Das ist meine tiefe Überzeugung. Es wird langfristig dringend erforderlich sein, Laien mehr zu befähigen, die Hauptamtlichen zu unterstützen, etwa bei Kleinkindergottesdiensten, um nur ein Beispiel zu nennen. Trotzdem ist der Priester unersetzbar. Aber vielleicht werden wir eines Tages auch keine Wahl mehr haben und neue Formen von Gottesdiensten finden müssen. Ich habe damals sehr bewusst Religionslehre studiert. Ich muss im Kleinen beginnen; etwa damit, Kinder für den Glauben zu begeistern. An die offizielle Lehre gebunden zu sein bedeutet für mich nicht, nicht auch neue, vielleicht unkonventionelle Zugangswege zu Glaube und Kirche für möglich zu erachten.
Im Pfarrgemeinderat ist Teamarbeit gefragt. Welche Mitstreiter stehen Ihnen zur Seite?
Cetraro: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass ich auf ein Team bauen kann, das eine gute Mischung aus erfahrenen und neuen PGR-Mitgliedern, aus jüngeren und älteren Frauen und Männern darstellt, die sehr unterschiedliche Kompetenzen mitbringen. Das ist sehr bereichernd und bildet außerdem ein breites Spektrum von Gemeinde ab. Wir sind Mandatsträger. Uns geht es darum, auf sehr unterschiedliche Weise in Bensberg und Moitzfeld den Glauben lebendig zu halten. Darin sehe ich meinen vorrangigen Auftrag.
Ihre Aufgabe besteht unter anderem darin, um Teilnahme am Gemeindeleben und Teilhabe zu werben. Kein leichtes Geschäft…
Cetraro: Die Menschen haben verschiedene Bedürfnisse. Und wir wollen herausfinden, wie wir sie beteiligen können, indem wir zum Beispiel vor anderthalb Jahren Gemeindemitglieder befragt haben. Damals wollten wir wissen: Was brauchen die Menschen und was suchen sie, woraus wird ihr Glaube genährt. Aus diesen Erhebungen leiten wir pastorale Angebote ab. Denn wir wollen nicht an den Menschen vorbei agieren, sondern Methoden und Instrumente entwickeln, die möglichst viele an Kirche binden. Außerdem mache ich mich für eine größtmögliche Transparenz unserer PGR-Arbeit stark. Dieses Gremium nimmt eine Vordenkerrolle ein, aber wir sind keine geschlossene Gesellschaft, sondern auf Impulse und auch Korrektive von außen unbedingt angewiesen.
Gibt es Zielgruppen, die Sie besonders im Blick haben?
Cetraro: Ja, die Familien. Über unsere Kindertagesstätten kommen wir mit ihnen in einen Erstkontakt. Später melden sie ihre Kinder zur Erstkommunion an und nach weiteren Jahren zur Firmung. Dieser Gruppe messen wir eine große Bedeutung bei. Deshalb haben wir den Familien-Ausschuss wiederbelebt und auch einen Ausschuss für Kinder- und Jugendpastoral eingerichtet. Nur wenn Familien an unsere Gemeinde andocken und wir die entsprechenden Angebote machen, sind wir zukunftsfähig.
Wie sieht es denn bei der Jugend aus?
Cetraro: Jugendliche sind gerne autonom und machen wirklich auch tolle Sachen. Das weiß ich noch aus meiner eigenen Zeit in den Leiterrunden. Aber das Thema „Kirche“ weckt nicht immer unbedingt Assoziationen bei ihnen. Da muss man behutsam vorgehen. Das meiste läuft über Beziehungsarbeit. Jugendlichen kann man nicht allein Gottesdienstangebote machen. Denn sie machen ja die Erfahrung: Wir haben doch alles. Wofür brauchen wir da noch einen Glauben? Aber über gemeinsame Interessen und Hobbys, auch über eine tolle Gemeinschaft kann man sie erfahrungsgemäß kriegen…
Die Ortsausschüsse werden mittlerweile personell viel breiter besetzt…
Cetraro: Hier lassen sich auch Vertreter aus den Kitas, den Grundschulen, den kfd-Gruppen am Ort, den Fördervereinen, Büchereiteams oder Messdienern und Pfadfindern in die Pflicht nehmen. Je vielseitiger und bunter die Ortsausschüsse besetzt sind, desto besser repräsentiert ein solcher Ausschuss die Vielfalt der jeweiligen Gemeinde St. Nikolaus oder St. Joseph. Alle an einen Tisch zu holen sorgt für interessiertes Wissen umeinander und konstruktives Arbeiten um der gemeinsamen Sache willen. Der Ortsausschuss ist das Gremium vor Ort, das im Sinne der eigenen Gemeinde denkt. Das übergeordnete Gremium PGR ist dann mehr die Instanz, wo die dörflichen Strukturen von Moitzfeld und die eher städtischen von Bensberg zusammengeführt werden. Letztlich geht es immer darum, Synergieeffekte zu schaffen, und zum Wohl der Gemeinden Entscheidungen zu treffen, beispielsweise wenn Ausschüsse gemeindeübergreifend arbeiten oder aber auch bewusst selbständig bleiben.
Haben Sie Visionen? Wie sieht Gemeindegestaltung im Jahr 2040 aus?
Cetraro: Ich träume von einer Kirche, die auch in 20 Jahren noch stark in die Gesellschaft wirkt. Unseren Kindern wird heute nicht mehr in die Wiege gelegt, dass Kirche mit dazu gehört. Ich hoffe aber, dass es auch dann noch viele Überzeugungstäter gibt, die unsere Kirche am Leben erhalten. Was die Kirche vor Ort angeht, mache ich mir da weniger Sorgen. Wir haben in Bensberg und Moitzfeld noch viel Potenzial für die Zukunft. Eine gesellschaftsrelevante Kirche muss sicher in neuen Wegen und Formen denken, aber da bin ich ganz zuversichtlich. Auch wenn Veränderungen immer schleppend vorangehen – manchmal sind die beteiligten Menschen viel weiter, als es bestehende Strukturen ermöglichen. Außerdem sehe ich im Jahr 2040 eine Kirche, in der der Pfarrer mit den Laien Hand in Hand geht und sich beide Seiten – zum Wohl der Gemeinde – wechselseitig beraten. Für die Kirche von morgen ist die Stärkung des Ehrenamtes unverzichtbar. Ohne sie steht jeder Pastor früher oder später vor leeren Bänken.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti