Schließung von St. Nikolaus: Abschied von einem vertrauten Ort

Noch lange nach dem letzten verklungenen Ton bleibt es still in dem nur spärlich mit Kerzen erleuchteten Kirchenraum von St. Nikolaus. Der Altar ist entblößt, wie es in der Kirchensprache heißt. Auch das Mikrophon ist nun außer Funktion: Die Vorbeterin muss laut ihre Stimme erheben, will sie sich Gehör verschaffen. Die Vitrine mit den Reliquiaren ist ausgeräumt. Die Apostelleuchter wurden entfernt. Weit offen stehen die Türen des leeren Tabernakels, das Ewige Licht ist schon vor Stunden gelöscht worden. Blickfang allein ist die Silhouette des noch immer deutlich erkennbaren Kreuzes im Chorraum.

Wären nicht die vielen Besucher zu diesem vorerst letzten Evensong in St. Nikolaus gekommen, so wäre dieser Ort nunmehr ein unbelebter Raum. Alles, was sein Wesen ausmacht, wurde bereits nach dem letzten Gottesdienst am Mittag von Gemeindemitgliedern in feierlicher Prozession aus der Kirche getragen: die Reliquien der Heiligen Johannes Nepomuk, Ignatius von Loyola, Ursula, Johannes Brachmans und Konrad von Parzheim sowie die Vita-Ikone des Heiligen Nikolaus von Myra. Die innere Abschiednahme von einem allzu vertrauten Ort, zu der jeder mit diesem musikalischen Abendlob des Kirchenchores St. Nikolaus eingeladen ist, vollzieht sich – dem Anlass angemessen – mit eher verhaltenen Tönen und spürbarer Andacht. Das Heilige dieses Innenraums wird auf die nächsten Wochen und Monate einer großen Baustelle weichen.

Soeben hat der Chor die Motette von Josef Rheinberger gesungen: Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden… Das Wort der Emmaus-Jünger bleibt wie eine flehentliche Bitte in dem neuromanischen und jetzt stark renovierungsbedürftigen Gemäuer hängen. Jeder mag dabei seinen eigenen Gedanken nachgehen und sich berühren lassen von eigentümlichen Empfindungen, zu denen neben Trauer auch die Sorge gehört: Was kommt nach diesem Abschied auf Zeit? Werden nach acht Monaten Schließung dieses Leuchtturms auf dem Berg die Menschen zurückkehren, von ihrem Gotteshaus wieder Besitz nehmen? Bildet sich, wenn erst einmal die dringend notwendigen Reparaturen ausgeführt wurden und die Ausgestaltung in neuem Glanz erstrahlen wird, wieder neues kirchliches Leben an diesem Ort? Oder wird die Zäsur, die mit geschlossenen Türen fast zwangsläufig einhergeht, für weiteren Schwund der bislang noch aktiven Gläubigen sorgen?

Pfarrer Kirchner, der am Vormittag das Festhochamt zelebriert hat, geht in seiner Predigt auf diese Ungewissheiten ein. Aber er formuliert auch zuversichtlich die Chance, die in einer solchen umfangreichen Baumaßnahme, wie sie in St. Nikolaus bis zur Wiedereröffnung Ostern 2024 gestemmt werden soll, liege. „Bei Baumaßnahmen dieser Größenordnung ist immer mit Überraschungen zu rechnen. Und sie stellen zunächst einmal alles auf den Kopf. Aber erst wenn wir alles gründlich entstauben und manches auch verändern, es nicht mehr so ist wie gewohnt, können wir erkennen, was wesentlich ist.“ Das tue gerade in Zeiten, in denen die Kirche nicht nur in Bensberg, sondern auch im Bistum, in ganz Deutschland und weltweit im Argen liege, not. Entscheidend sei dabei, in Christus als Gemeinschaft miteinander verbunden zu bleiben; „dass wir uns die Worte sagen, die hilfreich sind, dass wir wahrhaftig miteinander sind, uns nicht Lügen, Trug und Fake news wie Mühlsteine um den Hals hängen und dass wir gestärkt durch den Heiligen Geist den Weg in die Zukunft wagen“.

Kirchner erinnert auch an die vielen Frauen und Männer, die in früheren Jahrhunderten diesen Ort mit ihrem Glaubenszeugnis geprägt, ihre Spuren hinterlassen und ihre Gebete vor Gott getragen hätten. Die Reliquien in den Monstranzen stünden für alle diejenigen, die ihren Glauben mutig bekannt und ihn auch mit ihrem Leben bezahlt hätten. „Von daher stehen wir heute hier in einer langen Traditionskette“, betont der Seelsorger. „Indem wir unsere Heiligen ehren – allen voran den Heiligen Nikolaus, der an vielen Stellen in dieser Kirche seinen Platz hat – ehren wir Gott.“

Die Messfeier erreicht ihren emotionalen Höhepunkt, als am Ende eines bewusst festlich gestalteten Gottesdienstes die Gemeinde sichtlich bewegt „Großer Gott, wir loben dich“ anstimmt und zum Schluss als sichtbares Zeichen der anstehenden Schließung unter festlichen Trompetenklängen die Nikolaus-Ikone, die Reliquien und das Allerheiligste aus der Kirche getragen werden.

Text und Fotos – Beatrice Tomasetti