Der Pfarrgemeinderat St. Nikolaus/St. Joseph hat sich zum Start der neuen Legislaturperiode am vergangenen Wochenende in Klausur begeben. In Altenberg haben elf Mitglieder und zwei Vertreter des Pastoralteams über die Zukunft der Gemeinde – im Moment ohne Leitenden Pfarrer – beraten.Im Vorbereitungsteam dieser Tagung waren unter anderem Martin Brochhaus, Vorsitzender des PGR, und Manfred Stommel-Prinz. Sie ziehen in einem Interview Bilanz.
Um welche Fragen ging es konkret an diesem Wochenende?
Martin Brochhaus: Als neu gewähltes Gremium wollen wir möglichst schnell ins Handeln kommen. Daher haben wir uns die Frage gestellt, was wir als Pfarrgemeinderat tun müssen, damit 2022 ein gutes Jahr für unsere Gemeinde wird. Um hier sinnvolle Weichen zu stellen oder auch Entscheidungen zu treffen, haben wir uns zunächst die aktuelle Situation in der Gemeinde und auch bevorstehende Entwicklungen vor Augen geführt. Außerdem haben wir uns noch einmal mit dem Pastoralkonzept „Offen – Sicht – Licht“ beschäftigt, das 2016 von unseren Vorgängern erarbeitet worden war. Auch das im Jahr 2020 durch die Befragung der Gemeinde erhobene Stimmungsbild mit Beiträgen von 59 Gemeindemitgliedern hatte seinen Platz. Den meisten Raum hatte aber eindeutig der Blick nach vorne, insbesondere auf das Jahr 2022. Es sind schon recht klare Vorstellungen entstanden, welche Themen uns als besonders wichtig erscheinen und nun schnell angepackt werden müssen.
Bestand denn trotzdem – angesichts der kirchlichen Großwetterlage im Allgemeinen, aber auch der konkreten Entwicklungen in den letzten Jahren rund um den eigenen Kirchturm im Besonderen – zudem die Gelegenheit, Enttäuschungen zu benennen, um gegebenenfalls aus Fehlern zu lernen?
Manfred Stommel-Prinz: Im Vorbereitungsteam war es uns wichtig, eine möglichst reale, auch ungeschönte Bestandsaufnahme zu machen. Dazu gehören neben Ideen, Erwartungen und Hoffnungen selbstverständlich auch alle die Dinge, die in der letzten Zeit nicht rund gelaufen sind: Verletzungen, Enttäuschungen und Frust der unterschiedlichsten Art. Es war gut, dass dies zur Sprache gebracht werden konnte. Eine solche Klausurtagung schafft die Möglichkeit, auch einmal ohne Zeitdruck das Selbstverständnis eines solchen Gremiums zu hinterfragen und nach langem Abwägen eines Für und Wider gemeinsame Ziele zu formulieren.
Der Kirche kehren gerade viele Menschen – auch in St. Nikolaus und St. Joseph – den Rücken. Eine erschreckende Zahl an Gemeindemitgliedern besiegelt das beim Amtsgericht mit ihrem offiziellen Austritt. Wurde auch darüber auf der Tagung gesprochen?
Brochhaus: Dieses Thema wurde zumindest bei dem Blick auf die aktuelle Situation konkret angeführt. Jedes der PGR-Mitglieder hat in seinem Freundeskreis schon erlebt, dass Menschen in den letzten Monaten aus der Kirche ausgetreten sind. Das wurde als schmerzliches Erlebnis benannt. Natürlich war dieses Thema bei der Bewertung und Festlegung zukünftiger Angebote und Aktivitäten immer präsent.
Beratungen sind immer auch ein Prozess, in den gegebenenfalls viele unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen einfließen. Wie war die Atmosphäre? Hat sich die neue Gruppe denn als funktionsfähiges Arbeitsgremium finden können?
Stommel-Prinz: Es ist immer ein gewisses Wagnis und auch Abenteuer, wenn Menschen mit allen ihren unterschiedlichen Vorstellungen, Ideen und Geschichten gemeinsam auf ein Boot steigen, um loszusegeln. Ich glaube aber, dass es trotz des strammen Arbeitspensums gelungen ist, eine konstruktive, engagierte Arbeitsatmosphäre zu gestalten, bei der der persönliche Austausch nicht zu kurz kam und auch das gemeinsame Gebet seinen Platz hatte. Es war zu spüren, dass es allen ein echtes inneres Bedürfnis ist, etwas zu bewegen und sich mit positiver Energie an der Mitgestaltung zu beteiligen. Es waren Gespräche auf Augenhöhe, und jeder konnte spüren, dass seine Argumente gefragt sind, aber auch aufmerksam gehört werden und darauf von der Gruppe Bezug genommen wird. Es war ein ausgewogenes, auch sensibles Miteinander.
Was sind die dringendsten Aufgaben, mit denen sich das neu gewählte Gremium konfrontiert sieht, und wird es da absehbar Ergebnisse geben?
Brochhaus: Als zentrales Thema für die Belebung oder auch die Wiederbelebung unserer Gemeinde sehen wir die Gottesdienste und die liturgische Gestaltung an. Es besteht ein großes Bedürfnis, dass sich unsere Kirchen wieder füllen und im wahrsten Sinne des Wortes Liturgie „gefeiert“ wird, also auch das Rundum-Paket wieder stimmt, die Menschen nach der Messe miteinander auf dem Kirchplatz ins Gespräch kommen, man wieder umeinander weiß, diejenigen, die vor der Pandemie da waren, auch wieder trifft, im Grunde also einen attraktiven Treffpunkt schafft. Dieses Thema wollen wir schnell aufgreifen und erste Impulse entwickeln.
Ein anderes ebenfalls drängendes Thema ist die bevorstehende Neustrukturierung der Gemeinden. Wir werden unsere Anliegen und Wünsche dazu formulieren und im Erzbistum vorbringen. Inwieweit wir ein Mitspracherecht haben, werden wir dann sehen. Und ein drittes wichtiges Thema ist die Kommunikation in die Gemeinde, mit der wir uns näher befassen wollen. Gerade mit dem Wegfall des Pfarrbriefes als wichtiges Transportmittel ist hier eine schmerzliche Lücke entstanden, die wir gerne wieder schließen würden. Bei allen Vorhaben und Projekten aber müssen wir uns natürlich auch immer fragen, welche Ressourcen haben wir dafür, wer macht potenziell bei welcher Aktion mit. Wir werden viele Menschen brauchen, um das Schiff Gemeinde wieder ans Laufen zu bekommen.
Umgekehrt gefragt: Gibt es auch Themen, für die es eine längere Vorlaufzeit braucht und die grundsätzlich dran sind, aber erst einmal vertagt wurden?
Stommel-Prinz: Es wird in den nächsten Sitzungen wichtig sein, mit wachem Blick und Gespür und großen Ohren daran zu arbeiten, was wirklich „dran“ ist, was eine echte Relevanz für die Menschen in der Gemeinde hat und was wir da als Gremium realistisch anpacken können. Alle Themen, bei denen noch andere Partner ins Boot geholt werden müssen oder die von kirchenpolitischen Entscheidungen – wann auch immer – abhängen, rutschen ein wenig nach hinten. Dazu gehört zum Beispiel auch die Idee von einem Lotsenpunkt innerhalb der Stadt, mit dem die Kirche mitten unter den Menschen – vergleichbar der Aktion „Blaues Sofa“ – präsent ist und man nicht hoch zur Kirche muss, die da schon wieder für viele ein Stück außerhalb ihres Sichtfelds liegt; also eine Anlaufstelle, wohin viele mit ihren Fragen – und seien sie auch nur technischer Natur – jederzeit kommen können. Gerade im Kontext der Großwetterlage in der Kirche gibt es das Gefühl, dass ein solches Vorhaben, für das es natürlich auch finanzielle Mittel braucht, ein kleiner Wettlauf mit der Zeit wird. Und da wollen wir uns zunächst einmal eher darauf konzentrieren, was wir wirklich konkret gerade jetzt tun können. Dazu wird es im Übrigen auch wichtig sein, sich mit den anderen Gremien in der Gemeinde zeitnah und intensiv darüber auszutauschen, wohin die Reise gehen kann.
Die Mischung aus sehr erfahrenen PGR-Mitgliedern, die zum Teil schon 20 Jahre und mehr dem Gremium angehören, und völlig neuen Gesichtern können eine große Chance sein, auch mal etwas Neues auszuprobieren. Wie haben Sie das erlebt?
Brochhaus: Zumindest haben die neuen PGR-Mitglieder oft geradeaus gesagt, was sie denken und auch belebende Ideen eingebracht. Sie bringen einfach für manches Thema einen frischen unverstellten Blick mit. Und die, die schon länger dabei sind, wissen unter Umständen, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um etwas tragfähig und auch nachhaltig umsetzen zu können. Ich hoffe sehr, dass es so weiter geht und das neue Jahr in der Tat ein gutes Jahr für unsere Pfarreiengemeinschaft wird.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti
Foto – Claudia Konitzer