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Kreuzweg – Station 3

Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Station-3 [1]

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Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen. Er wurde misshandelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf.
(Jes 53, 6)

Jesu ist niedergesunken. Völlig erschöpft kauert der geschundene, blutende Körper unter dem gewaltigen Kreuzesbalken, der ihm im Genick liegt. Die Last des Kantholzes, das er mit der Linken noch umfasst hält, presst das bleiche Haupt hinunter auf die Brust. Die Rechte Jesu stützt schwer auf einem Stein. Das Kreuz ist mächtig, nicht nur von seinen wuchtigen Dimensionen her; es übt einen gewaltigen Druck aus und vermag Jesus in die Knie zu zwingen. Dieser Druck ist nicht nur der physische Druck eines schweren Balkens. Der Künstler will sichtbar machen, worin der eigentliche Druck, die tatsächliche Last des Kreuzes besteht. Es ist – kurz gesagt – die Last der verweigerten Liebe. Darin besteht die Sünde der Menschheit; das ist es, was in tödlicher Konsequenz zum Kreuz Jesu führte – und zu den zahllosen Kreuzen der Menschheitsgeschichte.

Das drückende Gewicht der verweigerten Liebe macht Sieger Köder beispielhaft anschaulich in den Gestalten, die im oberen Teil des Bildes mit ihrem ganzen Gewicht auf dem Kreuzesbalken lasten. Vorherrschend sind dabei die Erscheinungsweisen menschenverachtender Gewalt:

Eine Richtergestalt, die an Typen wie Roland Freisler, den Präsidenten des Volksgerichtshofes, erinnern mag, der im Namen des Führers und des Volkes Terrorurteile gegen Regimegegner fällte und zahllose Menschen in den Tod schickte.

Darüber wird ein Gefolterter sichtbar, der seine Angst und seinen Schmerz herausschreit, stellvertretend für Millionen und Abermillionen, die der Willkür, dem Sadismus und dem Hass ihrer Mitmenschen hilflos ausgeliefert sind.

Über der linken Hand Jesu sind die Gesichter eines Paares zu sehen, das die sexuelle Gewalt symbolisiert, die sich in Vergewaltigungen ebenso ausdrückt, wie im menschenverachtenden Sextourismus in Länder der Dritten Welt oder in den verschiedenen Formen sexueller Ausbeutung, die auch in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind.

In der rechten oberen Ecke ist das Gesicht eines Narren zu sehen, der sich besäuft. Auch diese Gestalt variiert das Thema der verweigerten Liebe, denn sie steht für die selbstsüchtige Flucht in den Rausch, für die Ichbefangenheit jener, deren „Gott der Bauch ist“.

Die Gestalten über dem Kreuzesbalken sind nicht leicht zu erkennen, denn sie befinden sich im Dunkeln, so als läge ein Schatten über ihnen. Wird darin angedeutet, dass hier die finstere Seite unseres Menschseins zum Ausdruck kommt, unser Schatten, die zerstörerische, aggressive Seite unseres Wesens, die dazu führt, dass Menschen zu Opfern werde, dass wir uns gegenseitig Leid antun und dass menschliche Gemeinschaft zerstört wird – kurz, dass immer wieder Menschen unter das Kreuz geraten? Auch wir selbst sind ja gezeichnet von dieser Schattenseite, wir sind keine Zuschauer gegenüber dieser Kreuzwegstation, sondern Mitbeteiligte: auch unsere Schuld lastet auf diesem Balken.

Der Schatten findet seinen Kontrast im hellen Antlitz des geschundenen Jesus, der bei aller Erniedrigung das wahre Menschsein verkörpert und in dem jener Geist wirkt, der sich als stärker erweist als unser Schatten. Alle Finsternis dieser Welt ist nicht in der Lage, dieses Licht zu vernichten. Das Kreuz ist nur zu verstehen als letzte Konsequenz der Sendung Jesu, die darin bestand, die wehrlose Liebe Gottes in dieser Welt zu leben und so das Licht der Welt zu sein; und den Widerstand unserer menschlichen Finsternis gegen dieses Licht, unsere Verweigerung der Liebe bis zum äussersten, tödlichen Ende zu ertragen und sie gerade so zu überwinden. Es ist, als deutete sich im Leuchten dieses zu Tode erschöpften Angesichts schon etwas an vom Licht des Ostermorgens, in dem dann endgültig deutlich wird, dass nicht das Dunkel dieser Welt und dieser Menschheit das letzte Sagen haben wird, sondern die siegreiche Liebe Gottes, die auch noch die Schuldigen zu retten sucht, alle die in „Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“.

 

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