Alles war von langer Hand geplant, und dann fällt das große Fest wegen Corona aus. In diesem Jahr mussten bereits viele Brautpaare ihren Traum vom schönsten Tag im Leben begraben. Ein Paar, das in St. Nikolaus heiraten wollte, berichtet von einem Wechselbad der Gefühle.
Charlott Marie und Sebastian Hoppe haben hochemotionale Wochen hinter sich. „Da sind auch Tränen geflossen“, erinnert sich die junge Frau, deren kirchliche Trauung mit allem Drum und Dran ursprünglich im Mai stattfinden sollte. Die Krönung ihrer Liebe sollte es werden: ein großes Fest mit Familie und Freunden. „Dem Ganzen war eine intensive Planung vorausgegangen – mit viel Vorfreude und Hoffnung, dass alles genau so gelingen möge, wie wir es uns gewünscht hatten.“ Die Anzeigen an 80 Gäste waren bereits Monate vorher für die Zeremonie in der Bensberger Pfarrkirche St. Nikolaus verschickt worden: mit der Einladung zu einem klassischen Polterabend und einer ausgelassenen Hochzeitsfeier in der alten Schmiede eines bergischen Landschlösschens.
Der Bräutigam, der in der Pharmabranche tätig ist, verfolgt aufmerksam die Diskussionen um die Entwicklung eines Impfstoffs und hofft, dass es für die beginnende warme Jahreszeit doch noch Entwarnung gibt und dem gemeinsamen Start ins Eheglück – der aktuellen Nachrichtenlage zum Trotz – nichts im Wege steht. „Erst als sich abzeichnete, dass diese Pandemie so schnell nicht zu beherrschen sein wird und ein wirksames Mittel nicht vor dem nächsten Frühjahr zu erwarten ist, haben wir die Reißleine gezogen“, sagt er. Da befindet sich die Corona-Welle gerade auf dem Höhepunkt. Und die jungen Leute müssen schmerzlich Abschied nehmen von der Vorstellung ihrer ganz persönlichen Traumhochzeit.
„Die Feier einfach nur in den Herbst zu verlegen, schien uns zu riskant. Was, wenn auch dann noch strenge Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln gelten? Und noch mal verschieben kam nicht infrage. Zu viele Kompromisse eingehen – auch nicht“, erklärt Charlott Marie. „Eine Hochzeit, bei der wir unsere Liebsten nicht umarmen können – unvorstellbar.“ Die beiden machen das Beste draus. Wieder werden Karten gedruckt. Diesmal mit der Message „Change the date“. Genau 364 Tage später wollen sie einen zweiten Anlauf nehmen und eins zu eins die ursprüngliche Planung umsetzen. Alles bleibt, wie gedacht: die Wahl der Hochzeitskirche am Wohnort der beiden, wo sie bewusst mit kirchlichem Segen in eine gemeinsame Zukunft starten wollen, und auch die Location in Engelskirchen, die ganz den Wünschen der beiden 24-Jährigen entspricht. „Mit der Bekanntgabe des neuen Datums ließ sich die Absage, die uns weiß Gott schwer gefallen ist, besser verschmerzen, so dass die Freude über eine neue Perspektive im Vordergrund stand und sie die Trauer über durchkreuzte Zukunftspläne wettmachte.“
Und noch etwas tröstet das junge Paar. Am Morgen ihrer standesamtlichen Hochzeit im Kölner Rathaus, an der sie unbedingt festhalten wollen – „um wenigstens ein bisschen das Gefühl von Vermählung zu haben“, wie sie sagen – und bei der nur die Trauzeugen zugelassen sind, fahren sie mit ihren engsten Familienangehörigen in aller Herrgottsfrühe nach St. Nikolaus. „Wenn wir schon nicht das Sakrament der Ehe empfangen konnten, auf das wir uns so sehr gefreut hatten, wollten wir doch wenigstens am Tag der zivilen Trauung mit einer Messe in den Tag starten und es so schön wie möglich haben“, erzählt Sebastian Hoppe.
Aber auch Kölns Kathedrale spielt in ihrer Liebesgeschichte eine entscheidende Rolle. Schließlich haben sie sich über die Chöre am Dom vor acht Jahren kennengelernt. Die enge Beziehung zu dem Gotteshaus bleibt – gerade auch als beide längst klar haben, dass aus der Verbindung etwas Ernstes werden soll. Nicht von ungefähr ist die Kreuzblume auf der Domplatte später der Ort, an dem Charlott Marie den Antrag von Sebastian annimmt – in Erinnerung an die vielen Messen als Chorsänger Sonntag für Sonntag. Und vor allem an den ersten Kuss.
„Der Dom ist für uns sehr viel mehr als nur eine symbolträchtige Kulisse für einen einzigartigen Tag; Glaube und Kirche sind in unserem Leben zentral“, betont Charlott Marie. „Umso schwerer fällt es nun, noch ein Jahr auf den Segen, mit dem wir unsere Liebe besiegeln wollten, zu warten“, gesteht die junge Braut. „Wir wollen Gott sehr bewusst mit ins Boot holen und vor ihm bekennen: Wir gehören zusammen.“ Mit ihrem Mann teile sie dieselben Werte. Und dazu gehöre nun mal, sich auch im Ehesakrament miteinander zu verbinden. „Ich hatte mich schon so darauf gefreut, dass uns das noch ein Stück enger zusammenbringt. Nun fehlt einfach etwas Entscheidendes.“
Wie ernst es ihnen damit ist, haben sie bereits mit der Teilnahme an einem Ehevorbereitungskurs des Erzbistums bewiesen. Bevor der Lockdown den regelmäßigen Treffen mit anderen heiratswilligen Paaren aus allen Teilen der Diözese ein Ende setzt, lassen sie sich „fit für die Ehe“ bei einem gleichnamigen Angebot in der Kölner Innenstadtkirche St. Pantaleon machen. Und auch Pfarrer Andreas Süß, der das junge Paar von den Alpha-Kursen in seiner Gemeinde kennt, hat zusammen mit der Ehepastoral im Generalvikariat ein attraktives Angebot für Brautleute am Ort entwickelt und lädt die beiden dazu ein. Anhand vieler praktischer Tipps soll es bei den jeweiligen Einheiten, die als Willkommensgeste immer mit einem gemütlichen Essen beginnen, um Themen gehen, die eine Partnerschaft lebendig halten sollen: Miteinander reden, Verbindlichkeit, Konflikte lösen, wachsende Liebe, gemeinsame Ziele, aber eben auch um das katholische Eheverständnis und schließlich die Planung der festlichen Trauungsliturgie.
„Eine gute Ehevorbereitung ist eine Investition fürs Leben“, findet Pfarrer Süß. Schließlich sei Ehepartner kein Ausbildungsberuf, für den man angeleitet werde oder eine Bewährungsfrist bekomme. Von daher könne es hilfreich sein, sich im Vorfeld über das Wesen von Liebe und Partnerschaft in der Ehe zu verständigen und diese Verbindung von Mann und Frau aus dem Glauben zu betrachten. Das Ehesakrament bedeute, mit Gott einen heiligen Bund zu schließen. Gerade in schweren Zeiten, in denen die Liebe auch Rückschläge erleide und mitunter nicht alle Sehnsüchte erfüllt werden könnten, stehe es für ein „Mehr“ an Schutz und Hilfe. Mit seiner Gegenwart wolle Gott das Paar in seiner Berufung zur Ehe stärken.
„Das Besondere daran ist, man muss dieses Treueversprechen nicht alleine durchtragen. Als Dritter im Bunde ist Gott immer mit dabei“, versichert der Seelsorger. Gleichzeitig spendeten sich Liebende das Ehesakrament, um auch ein Zeugnis ihres Glaubens in Kirche und Gesellschaft zu geben, was oft gerade bei langjährig verheirateten Paaren sehr berührend zu erleben sei. „Dass wir uns gefunden haben!“ – einen solchen Satz voller Dankbarkeit höre er bei Ehejubiläen nicht selten und sei Beweis dafür, wie die Liebe in vielen Jahrzehnten wachsen und reifen könne.
Auch wenn es zuletzt ein Wechselbad der Gefühle war und die Absage des Hochzeitsfestes viel Kraft gekostet hat – inzwischen können sich Charlott Marie und Sebastian Hoppe unbeschwert auf den Ringtausch im kommenden Jahr freuen. Eine Ahnung davon, wie es sich anfühlt, wenn es ernst wird, konnten die beiden aber schon jetzt bekommen. Völlig überraschend ermunterte Pfarrer Süß sie neulich während eines Sonntagsgottesdienstes, aus den hinteren Kirchenbänken nach vorne zu kommen. Lieselotte und Herbert Burgmer aus Moitzfeld feierten in dieser Messe mit ihren Kindern und Enkeln ihre diamantene Hochzeit und hatten aus diesem Anlass noch einmal um den Segen für ihren Ehebund gebeten.
Die Idee des Seelsorgers kommt von Herzen. Spontan stellt Süß mit seiner Stola, die er jeweils um die Hände der zwei Paare wickelt, eine verbindende Brücke zwischen ihnen her. Trost für die ausgefallene Trauung soll in dieser zugewandten Geste zum Ausdruck kommen, aber auch die Ermutigung an die beiden 83-Jährigen, der Unauflöslichkeit dieses Bandes auch für die letzte Wegstrecke noch zu trauen. „Wir wollten uns damals das Ja-Wort in der Kirche geben und vertrauen auch 60 Jahre später – in Zeiten von Unbeständigkeit und zunehmender Verunsicherung – noch immer auf Gott in unserem Leben“, begründen die Burgmers ihren Wunsch nach diesem Ritual. „Der Glaube ist das Fundament, auf dem unsere Ehe gründet“, gibt das Jubelpaar den beiden jungen Leuten später noch mit auf den Weg. „Wir wünschen ihnen wenigstens genauso viel Glück, wie wir es in unserer Ehe immer hatten.“
Text – Domradio-Beitrag vom 11. Juli
Foto – Beatrice Tomasetti