Der Andrang war so groß, dass schließlich die Stühle knapp wurden im Pfarrsaal. Zum Impulsvortrag „Frauenpriestertum: Geht nicht. Gibt’s nicht“ mit anschließender Diskussion waren unerwartet viele Zuhörer*innen gekommen. Maria Mesrian, Theologin aus Köln, sollte auf Einladung der kfd St. Joseph über ein Thema sprechen, das aktuell viele bewegt: Worin ist die Ablehnung von Frauen zu den Weiheämtern in der katholischen Kirche begründet? Aus der als Hintergrundgespräch geplanten Veranstaltung entwickelte sich sehr schnell eine leidenschaftliche Diskussion um die Erneuerung der katholischen Kirche.
Gleichberechtigung: mehr als Zeitgeist
Sie wisse nicht, wie sie ihren Kindern überhaupt noch vermitteln könne, sich für die katholische Kirche einzusetzen, meinte die Referentin, die selbst Mutter von fünf Kindern ist. „Soll ich meinen Töchtern sagen: Engagiert euch, aber weiter als bis zur Messdienerin werdet ihr es nicht bringen? Ich will im 21. Jahrhundert nicht darüber diskutieren müssen, ob ich als Frau die Befähigung zu geistlichen Ämtern habe.“ Gleichberechtigung sei kein Zeitgeist, kein kurzlebiger Trend, der schnell vorübergeht: „Dabei geht es um Gerechtigkeit – und die ist in der DNA des Evangeliums festgelegt“, stellte die Theologin klar, die sich im Rahmen der Aktion Maria 2.0. für eine gendergerechte Kirche stark macht.
Mit dieser Ansicht traf sie jedoch auf den erbitterten Widerstand einer Gruppe von Zuhörerinnen, die offensichtlich gekommen waren, um die Veranstaltung ‚aufzumischen‘ – nach dem Motto: „Reformen – nicht mit uns!“ Sie argumentierten, dass Jesus mit der Einsetzung männlicher Apostel eine feststehende Norm begründet habe. In der Ordinatio sacerdotalis sei durch Papst Johannes Paul II im Jahr 1994 ausdrücklich bekräftigt worden, dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu weihen.
Kontakt zur Basis geht verloren
Mesrian bezweifelt dagegen, dass diese Frage aus kirchenrechtlicher Sicht endgültig entschieden ist. „Was würde denn passieren, wenn Frauen geweiht würden?“, fragt die Theologin provozierend, „wovor hat der Klerus Angst?“ Aktuell habe die katholische Kirche ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ihre Praxis bezüglich wiederverheirateten Geschiedenen und gemischt-konfessionellen Ehen und ihre Haltung gegenüber Homosexualität verdeutliche, wie weit sie sich von der Lebenswirklichkeit ihrer Gläubigen entfernt hat. „Doch in dieser Kirche sollte jeder willkommen sein, der nach Gott fragt“, fordert Mesrian. Das Bedürfnis nach Glauben und Spiritualität spüre sie bei vielen Menschen, doch sehe sie nicht, wie die Kirche in ihrer derzeitigen Verfassung diese Sehnsüchte beantwortet. Tiefgreifende Reformen seien dringend geboten, wenn die katholische Kirche eine Zukunft haben wolle. Dabei gehe es nicht nur um die Reizthemen wie Abschaffung des Pflichtzölibats und Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern, sondern um „eine lange Geschichte falscher Strukturen.“
Mit Glauben zu mehr Glaubwürdigkeit?
Nicht eine Kirchenkrise sei schuld an der aktuellen Lage, sondern eine Glaubenskrise, so lautet die These der Reformgegnerinnen. Es komme heute mehr denn je darauf an, die frohe Botschaft zu verbreiten und mit dem eigenen Vorbild die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche zu stärken. „Erneuerung fängt bei mir persönlich an, nicht in den kirchlichen Strukturen“, sagt eine Frau. Mehrfach führen die konservativen Kritikerinnen an, wie gut sie sich in ihrer traditionellen Rolle und in ihrem Selbstverständnis eingerichtet hätten. Glaubensverkündigung sei etwas, das sie in ihrem täglichen Leben praktizieren: Wenn sie in Schulen unterrichten, sich ehrenamtlich in ihren Gemeinden engagieren, ja selbst, so versichert eine junge Frau, wenn sie am Arbeitsplatz in der Mittagspause ein Tischgebet spricht und ein Kreuzzeichen schlägt. Dazu brauche sie keine Weihe. Darin sehen die Maria 2.0- Anhängerinnen jedoch eine unzulässige Vermischung von persönlicher und institutioneller Ebene: Bei ihrem Protest gehe es darum, dass alle Getauften und Gefirmten ihrer Berufung folgen dürfen und zu den Weiheämtern zugelassen werden – nicht um die eigene Betroffenheit. Schließlich will nicht jede Frau, die sich mit der Aktion solidarisch erklärt, Priesterin werden.
Nur ein Luxusproblem?
Eine Zuhörerin bemerkt, dass die Maria 2.0-Bewegung ein typisches Wohlstandsphänomen offenbare und somit nicht zufällig in Deutschland, Österreich und der Schweiz begonnen habe: Den Frauen hierzulande sei es nicht genug, in Gremien mitzubestimmen, sie wollten noch mehr Macht ausüben. Nun griffen sie auch nach dem Priesteramt. Eine steile These, die stürmischen Protest auslöst: Ein Diskussionsteilnehmer zeigt sich schockiert angesichts von „Frauen, die sich selbst beschneiden wollen.“ Immer mehr kritische Fragen werden laut: Wie ist es möglich, dass es eine Frau heute bis in den Vorstand von DAX-Unternehmen oder ins Bundeskanzleramt schaffen kann, aber nicht in ein Weiheamt? Kann die katholische Kirche es sich leisten, auf 50 Prozent aller menschlichen Ressourcen und Charismen zu verzichten? Darf sie so viel Potenzial vergeuden – in einer Zeit, in der ihr die Gläubigen in Scharen davonlaufen? Auch dazu haben die konservativen Kritikerinnen eine klare Meinung: Die göttliche Ordnung sehe das so vor. Sie werfen den Maria 2.0-Reformerinnen vor, zur Spaltung der katholischen Kirche beizutragen.
Maria 1.0 vs. Maria 20
Tatsächlich macht der Abend deutlich, wie tief der Graben ist, der sich in der katholischen Kirche derzeit auftut. Die Fronten sind klar gezogen – auf der einen Seite die Gegner der Reformbewegung, die in ihr einen Angriff auf Kirchenrecht und Glaubenslehre sehen. Auf der anderen Seite die Reformorientierten, die überzeugt sind, dass Kirche sich wandeln muss, um den Gläubigen noch eine spirituelle Heimat zu bieten. Die Heftigkeit der Diskussion überrascht Maria Mesrian: „Ich hatte gedacht, ich komme ins beschauliche Moitzfeld…“, wundert sie sich. Doch seit sie sich für die Erneuerungsbewegung in der katholischen Kirche engagiert, erlebt sie Situationen wie diese häufig, sie kennt die Positionen beider Seiten. Dennoch bleibt sie überzeugt, dass zu einer Kirche, die sich als offen und lebendig versteht, auch eine aktive Streitkultur, Provokation und Kritik gehören: „Auf dem Weg des Dialogs gibt es kein Wahr oder Falsch. Wir sind aus verschiedenen Richtungen unterwegs zu Gott, der immer der Größere ist.“
Text – Martina Martschin
Foto – Manfred Stommel-Prinz