- Pfarreiengemeinschaft - https://www.nikolaus-und-joseph.de -

Messdienerleiterinnen gestalten Podcast mit Fastenimpulsen

Die Spannungen in der Kirche lassen auch Jugendliche nicht kalt, die sich zunehmend distanzieren und ungeschönt Kritik üben. Umso mehr erstaunt eine Initiative, bei der es sehr bewusst um Glaubensthemen geht. Ab Aschermittwoch 40 Tage in Folge.

Dass die Lage verfahren ist und die Kirche Kölns gerade in einer Sackgasse steckt – das wissen auch Johanna Böhmer und Julia Saal. „Die anhaltende Debatte um eine angemessene Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs, die Themen ‚Frauen in der Kirche’ oder ‚Macht’ schrecken viele junge Menschen ab, so dass sie mit der Institution nicht mehr viel anfangen können und einfach wegbleiben: aus den Gottesdiensten und aus den Jugendgruppen. Das ist ja irgendwie auch nachvollziehbar“, finden die beiden 20- und 21-jährigen Moitzfelderinnen. Und trotzdem wollen die jungen Frauen diesen schleichenden Abschied von der Kirche nicht einfach so hinnehmen, sondern das, was ihnen selbst wichtig ist, weitergeben und teilen, wie sie sagen. Schließlich gehören sie schon ihr halbes Leben zu der Messdienerschaft St. Joseph – auch „Minis“ genannt – und engagieren sich in dieser Gemeinschaft seit sieben Jahren als Leiterinnen.

Hier sind sie für etwa 15 Kinder verantwortlich, doch Corona hat noch einmal verstärkt die Nachwuchsprobleme unter den Ministranten offengelegt, zumal zuletzt aus den aktuellen Kommunionjahrgängen kaum neue hinzugekommen sind. „Mit der Pandemie haben wir immer mehr den Kontakt zu unserer Gruppe verloren, weil wir uns über weite Zeiträume in der Kirche ja auch nicht treffen konnten, so dass wir auf die Idee kamen, mit einem Podcast auf ganz andere Weise eine Verbindung zu den Kindern herzustellen und gleichzeitig ein neues Angebot zu schaffen“, berichtet Julia, die in Bonn Geschichte, Politikwissenschaften und Soziologie studiert.

Gesagt, getan. Nach einem ersten Brainstorming über mögliche Inhalte dieses Formats und eine intensive Vorbereitung der geplanten Beiträge, bei denen sie sich ganz an den zuvor abgefragten Wünschen der Minis orientiert haben, sind sie schon wenige Monate später „auf Sendung“. Mit großem Erfolg. Über die Spotify-Plattform haben sie dann wöchentlich zunächst in Interviews mit den Seelsorgern am Ort deren kirchliche Berufe vorgestellt und darüber informiert, was im Einzelnen ein Kaplan, ein Priester oder eine Pastoralreferentin macht. Auch der Chorleiter und der Küster wurden bereits zum Gespräch geladen. Bald darauf ging es dann auch um Themen wie ehrenamtliches Engagement, die Taufkatechese oder die Bedeutung der liturgischen Gewänder und vieles mehr.

„In dieser Zeit haben wir zwei natürlich auch viel über die Kirche und unseren eigenen Glauben gesprochen. Da wurden manche Themen zum Selbstläufer“, erzählt Johanna, der wichtig ist, diesen Podcast nicht an der Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen vorbei zu machen, sondern darin vor allem die für diese Zielgruppe relevanten Fragen aufzugreifen und einen tieferen Einblick in innerkirchliche Zusammenhänge zu ermöglichen. „Viele trauen sich ja gar nicht, sich mit ihren Glaubensfragen zu outen“, beobachtet sie. Umso wichtiger sei es, so die medizinische Fachangestellte, die in der Porzer Kinderambulanz im Schichtdienst arbeitet, gerade hier Hilfestellung zu geben, auch wenn sie beide, wie sie einräumt, ja selbst keine theologischen Profis seien und auch nicht auf jede Frage eine Antwort hätten. „Aber wir können ein Forum dafür öffnen und unsere Gedanken – vielleicht auch unser Unverständnis oder unsere Ratlosigkeit – zum Ausdruck bringen und damit gleichzeitig zeigen, dass es anderen genauso geht und niemand mit seiner Unsicherheit allein bleiben muss.“

„Irgendwann haben wir angefangen, Themen, über die man sonst noch sprechen könnte, zu sammeln“, erklärt Julia die Vorgehensweise. „Zum Beispiel über die Sakramente, über Heilige oder die kirchlichen Feiertage, deren Sinn zunehmend nur noch Insidern bekannt ist.“ Auch ums Beten sei es schon gegangen und wie man selbst dazu stehe. Oder um Überlegungen, wie sich der liturgische Ablauf einer Messe gestalte und was die Eucharistiefeier bedeute. Die Ideenliste sei noch lang und werde bei einem spontanen Einfall auch immer wieder erweitert. Dazu gehörten letztlich auch Themen, bei denen es um persönliche Ansichten, Überzeugungen, Erfahrungen und das eigene Bekenntnis gehe. „So haben wir uns zum Beispiel auch die Frage gestellt“, führt die Studentin aus, „warum wir trotz der derzeitigen Kirchenkrise eigentlich immer noch katholisch sind und uns sogar aktiv engagieren. Da geht es dann mitunter wirklich ans Eingemachte: an den Kern unseres Christseins.“

Schnell hat sich für die beiden Freundinnen herausgestellt, dass Johanna bei den regelmäßigen Treffen die spontanere und auch emotionalere Fragenstellerin ist, Julia hingegen aufgrund ihres fundierten Back-up-Wissens aus dem Studium mit einer eher rationalen Sichtweise den Dialog bereichert und auf diese Weise die eine jeweils von der Stärke der anderen profitiert. „Julia macht meist die Themenvorschläge und liest sich auch schon mal in die theologischen oder historischen Hintergründe ein, damit wir eine gute Basis für unsere Beiträge haben“, sagt Johanna über ihre Mitstreiterin, „gerade auch weil wir keineswegs den Anspruch erheben, Experten zu sein oder allgemeingültige Antworten zu geben, unsere Informationen aber trotzdem hieb- und stichfest sein müssen.“

Am Ende solle jeder Podcast außerdem möglichst natürlich rüberkommen. „Damit nichts gestellt wirkt, besprechen wir uns kurz vor jeder Aufnahme und legen stichpunktartig eine Struktur fest“, erläutert die Messdienerleiterin. „Geht es mehr um unsere persönliche Meinung, improvisieren wir auch schon mal. Dann versuchen wir, uns möglichst locker zu unterhalten, als würden wir uns gerade zu einem Kaffee treffen. Schließlich soll das Ganze auch Unterhaltungswert haben. “ Im Anschluss würden die Dateien geschnitten und die einzelnen Folgen hochgeladen.

Nach und nach ist aus der anfänglichen Idee ein verbindliches Projekt geworden, an dessen Verfeinerung die beiden immer noch arbeiten. Und zu den Hörerinnen und Hörern zählen längst nicht mehr nur die Messdienerkinder aus der eigenen Kirchengemeinde. Auch von außerhalb schalten sich Interessenten – darunter viele junge Erwachsene – dazu. Vor allem aber wollen Johanna und Julia die intensive Auseinandersetzung über ihren Glauben, der in der Vorbereitung jeder einzelnen Folge stets mitschwingt, nicht mehr missen. „Auch wenn wir schon mal ganz unterschiedliche Glaubenswege gehen, ist uns der Austausch darüber sehr wichtig geworden“, erklärt Johanna. Zudem sei es super spannend, sich auch mal der Argumentation des anderen zu öffnen und dessen Perspektive einzunehmen. „Dabei lernt jeder immer noch etwas dazu.“

Antriebsfeder ist für die Freundinnen die Weitergabe ihres Glaubens. „Gerade auch in dieser schwierigen Zeit, in der es genau zu differenzieren gilt, was zu dieser lähmenden Vertrauenskrise geführt hat und was daran aber auch gar nichts mit meiner persönlichen Einstellung zu tun“, betont Julia. „Uns liegt völlig fern, Kirchenpolitik zu machen, aber im Rahmen unserer Möglichkeiten wollen wir Einfluss nehmen, mitgestalten und vor allem zeigen: So kann Kirche auch sein.“ Die 21-Jährige ist überzeugt: Die Kirche behalte ihre Daseinsberechtigung, auch wenn ihr Erscheinungsbild gerade viel Angriffsfläche biete. „Ich bin in der Kirche sozialisiert, und das, was ich selbst von klein an als gut erlebt habe, will ich heute an Jüngere weitergeben. Für mich gehören Kirche und Glaube nun mal zusammen. So kenne ich das. Und so will ich es auch anderen vermitteln. Diese Einheit soll auch den Kindern nicht kaputt gemacht werden. Deshalb betreiben wir diesen Podcast.“

Für die Fastenzeit haben sich die beiden noch einmal etwas ganz Besonderes ausgedacht. Mit wochenlangem Vorlauf, viel Fleiß und Kreativität haben sie gerade 40 Impulse – für jeden Tag einen – zusammengestellt. Alle Beiträge – diesmal zwischen zwei und zehn Minuten lang – sind bereits im Kasten. „Das soll ein Angebot zur Vorbereitung auf Ostern sein, das für Christen immerhin das wichtigste Fest ist“, argumentiert die Studentin. Auch die sieben Wochen Fasten auf dem Weg dorthin hätten doch ihren Sinn. „Unsere Impulse können dabei eine Art spiritueller Begleitung sein, die zum Weiterdenken animieren soll.“ „Kirche ist unser Lebensraum“, so drückt es Johanna aus, „für mich ist sie ein Stück Heimat, für die ich mich auf diese Weise einsetzen will.“ Und: „Kirche – das sind doch meine Wurzeln.“

Text – Domradiobeitrag vom 19. Februar
Foto – Beatrice Tomasetti

  • [3]
  • [4]
  • [5]
  • [6]
  • [7]