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Kreuzweg – Station 9

Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Station-9 [1]

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Sie stiegen mir über den Hals, da brach meine Kraft.
Preisgegeben hat mich der Herr, ich kann mich nicht erheben
(Klagelieder 1,14)

Hingestreckt, hingeschlagen liegt Jesus im Staub – allein unter der Leere eines tristen Himmels, an dem eine kraftlose Sonne im Grau versinkt. Jesus liegt da, niedergestreckt von der brutalen Gewalt seines Kreuzes, endgültig fertiggemacht, vom Tod gezeichnet.

Bizarre Assoziationen weckt dieses Bild: Sträfling im Block; ein Kreuzesbalken, der wie das Schlageisen einer Mausefalle dem Daliegenden das Genick gebrochen hat; Fallbeil… Wer könnte sich nach einem solchen Sturz noch erheben? Bisher war Jesus seinen Weg noch selbst gegangen – beschwerlich zwar, unterbrochen von Stürzen, unterstützt von einem Simon v. Cyrene – , jetzt aber ist er am Ende. Jetzt gibt es nur noch ein Gezerrt- und Gestossen-Werden, ein Taumeln vielleicht oder Geschleift-Werden wie bei Verurteilten, die man zum Richtblock schleppt. Eine letzte Ergebung in die eigene Ohnmacht wird diesem im Staub Liegenden abverlangt.

Zu dieser äußersten Ohnmacht gehört auch eine äußerste Verlassenheit. Da ist keine menschliche Nähe, die Kraft und Trost schenken könnte. Die Außenwelt ist wie abgeschnitten: die Soldateska, die Meute der Schaulustigen – nichts erreicht mehr die Wahrnehmung des zu Tode Erschöpften. Und über ihm ist nichts als eine erschreckende, trostlose Leere.

Der spanische Maler Francisco de Goya, der im Jahre 1819 schwer erkrankte und lange mit dem Tode rang, malte in den Jahren danach sein Landhaus „Quinta del Sordo“ mit den so genannten „schwarzen Gemälden“ aus, die in zum Teil erschütternder Weise diese existentielle Bedrohung des nahen Todes verarbeiten. Eines dieser Gemälde trägt den Titel „Der Hund“ und zeigt im unteren Viertel nur den Kopf eines Hundes, der langsam zu versinken scheint und mit stummem, qualvollem Blick nach oben in eine öde Leere schaut. Dieses Bild von Goya ist für Sieger Köder zugleich Hintergrund und Gegen-Bild unserer Kreuzwegstation.

Jesus teilt die entsetzliche Erfahrung all jener, die sich „mit gebrochenem Rückrat“ jeder Kraft beraubt und preisgegeben erleben; er kennt die Ohnmacht dessen, der sich wie im Treibsand gefangen und in die Tiefe eines tödlichen Abgrunds gezogen fühlt. Das Alter kann einen an diesen Punkt bringen, schwere Krankheit oder der mühevolle Weg des Sterbens. Aber auch das Zerbrechen der eigenen Lebensplanung, der Verlust eines geliebten Menschen, das Grauen des Krieges, das Stehen vor dem Nichts nach einer. Katastrophe.

Was bleibt dann noch? Wer sind wir dann noch? Ein verlorenes Hundeleben, das im Nichts versinkt? Ein Wurm, über den die Ereignisse hinwegtrampeln? Oder jemand, der auch in seiner tiefsten Ohnmacht und Verlassenheit noch getragen ist von der Liebe Gottes – selbst dann, wenn er es nicht mehr spürt?

Die Augen Jesu auf unserer Kreuzwegstation sind geschlossen, so als wäre schon alles Leben aus diesem Körper entwichen; seine heilenden Hände liegen kraftlos geöffnet unter dem Gewicht des Balkens im Schmutz des steinigen Weges. Erdrückt von der Schuld dieser Welt, zerschmettert von der Gewalt ihres Widerstandes gegen die Liebe Gottes ist er zur äußersten Passivität verdammt. Und doch liegt ein Lichtschein auf dem Holz des Kreuzes…

 

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