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Kreuzweg – Station 12

Jesus stirbt am Kreuz

Station-12 [1]

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Die Evangelisten Matthäus und Markus überliefern uns, Jesus sei gestorben nach dem lauten Ruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Ps 22); danach sei der Vorhang des Tempels von oben bis unten mitten entzwei gerissen. Auf diese Situation lenkt die Kreuzwegstation von Sieger Köder unseren Blick:

In der Mitte der geschundene, blutüberströmte Leib des Gekreuzigten, der den Todesschrei noch auf den Lippen hat. Sein Haupt hängt nicht auf die Brust herab, sondern ist – wie der ganze Körper – nach oben gereckt und taucht schon hinein in die Finsternis des Todes.

Um die Hüften des Gekreuzigten ist kein Lendentuch gewunden, sondern es sind brutale Stricke, die sich über „kreuzen“. Sie erinnern an die 1. Station, wo solche Stricke die Hände Jesu fesselten; hier umschlingen sie die Mitte des Körpers und machen deutlich: Jesus ist festgebunden, „angenagelt“ an das Kreuz, das selbst nicht sichtbar ist und nur in den gekreuzten Sticken angedeutet wird.

Unter dem Kreuz stehen der Lieblingsjünger, die Mutter Jesu und Maria von Magdala: jene Menschen, die ihm am nächsten standen, teilen seinen Schmerz und sind seine „Sterbebegleiter“ – je auf ihre Weise: Johannes mit gerungenen, betenden Händen und Maria im grünen Gewand mit Trauerflor blicken auf den Gekreuzigten; Maria von Magdala im roten Gewand der Liebe ist ganz versunken und verstummt in Schmerz und Leid.

Im Vordergrund des Bildes erblicken wir den zerrissenen Vorhang des Tempels, der vom Künstler pergamentartig gestaltet wurde – als Hinweis auf die pergamentenen Schriftrollen des Alten Bundes: der Alte Bund muss dem Neuen Bund weichen, der mit dem „Blut des Lammes“ besiegelt wurde. Auf der „zerrissenen Buchrolle“ ist der hebräische Text jenes Psalmverses zu lesen, den Jesus in seinem Sterben betend hinausschrie: Eli, Eli lama asabthani?

Die Bedeutung des zerrissenen Vorhanges im Tempel ist vielfältig interpretiert worden. Beim Betrachten dieser Station wird jedenfalls deutlich: wie der zerreißende innere Vorhang des Tempels den Blick auf das verborgene Innerste des Heiligtums öffnet, so eröffnet sich im Kreuzestod Jesu den Augen des Glaubens das verborgene Geheimnis der Liebe Gottes. Was von vielen als Torheit oder Ärgernis verkannt wird, erschließt sich den Glaubenden als Sieg der göttlichen Liebe, die da ihre ganze schöpferische Macht entfaltet, wo menschliches Können und Wollen seine äußerste Ohnmacht erleidet.

Noch eines wird deutlich: die Kreuzigungsgruppe befindet sich vom Betrachter her „draußen“, hinter dem zerrissenen Vorhang jenes Gesetzes, nach dem Jesus sterben musste. Der Betrachter steht noch „innerhalb“, muss den Schritt aus der Gefangenschaft des papierenen Gesetzes hinaus noch tun, den Schritt in die Freiheit der törichten Liebe, der immer auch ein Schritt unter das Kreuz ist. Aber der Blick ist schon frei auf den, der vor den Mauern der Stadt aus Liebe zu uns gestorben ist – und auf jene, die dieser Liebe mit-leidend in sich Raum gegeben haben.

 

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