Krippe – einmal anders

Achtung Baustelle! Kein Engel, sondern ein Verkehrsschild weist in diesem Jahr den Weg zur Krippe in St. Joseph. Fast möchte man meinen, dass es diese Warnung nicht braucht – denn  unübersehbar ist die gesamte Kirche eine Baustelle. Seit Monaten sind dort Renovierungsarbeiten im Gange: Bänke wurden entfernt, Wände herausgeschlagen und neue eingezogen, der Putz wurde von einer dicken Schmutzschicht befreit.

In dieser Situation schien es undenkbar, die Krippe in ihrer gewohnten Kulisse aufzubauen. Völlig auf sie zu verzichten, kam aber ebenso wenig infrage. Denn sie gehört unbedingt dazu, wenn wir Weihnachten feiern. Und wer an Heiligabend und an den Weihnachtsfeiertagen in die Kirche kommt, erwartet, sie dort vorzufinden.

Auch in der Baustelle muss es eine Krippe geben, sagte sich das Krippenteam. Eine Baustellenkrippe eben. Und da ist sie nun: eine Krippe mitten in der Baustelle. Da wo es kalt ist und staubig, zugig und ungemütlich. Wo Gerüste an den Wänden stehen und Werkzeug herumliegt. Statt der Hirten sitzen Bauarbeiter am Feuer, um sich zu wärmen. Und die Heilige Familie hat keinen Stall, sondern nur eine umgekippte Schubkarre, die ihr notdürftigen Schutz bietet.  Eine Malerplane hängt an der Wand darüber – täuscht der Eindruck oder hat sie tatsächlich den Umriss eines Engels?

Die Krippe 2021 – ein Provisorium. Aber ist sie das nicht ihrer eigentlichen Natur nach?

Der Stall bei Bethlehem war auch nur eine Notlösung, ein Ort der Zuflucht.

Die Weihnachtsevangelien sind schließlich keine liebliche Prosa, sondern eine wuchtige Geschichte: Sie handelt von der Geburt Jesu, aber auch auch von einer Migration ungeheuren Ausmaßes – Tausende Menschen sind unterwegs, um sich zählen zu lassen – und von dem Mord an unschuldigen Kindern. Es geht um Vertreibung und Verfolgung, um Gewaltherrschaft und Flucht.

Aber die Weihnachtsgeschichte birgt auch eine Verheißung: Fürchtet euch nicht!  Ein Kind ist euch geboren, mitten im Elend der Welt. Die alte Herrschaft muss weichen, damit eine neue entstehen kann. Das bedeutet Aufbruch und Aufruhr. Eine einzige riesige Baustelle.

Nicht kann, nichts wird beim Alten bleiben, lautet die Botschaft der Heiligen Nacht. Nicht in St. Joseph, nicht anderswo. Das Kind in der Krippe verändert alles.

Text – Martina Martschin
Foto – Maria Wickert