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Im Zentrum wissenschaftlichen Interesses

140 Architekturstudenten der TH Köln stellen sich der Aufgabe eines Entwurfs für das neue Gemeindezentrum

In Kleingruppen schwärmen sie aus und erkunden das Gelände. Während sie sich Notizen machen und Handyfotos schießen, steigen sie auf den Kirchturm oder schauen sich den Lageplan an. Michael Müller-Offermann vom Bauausschuss des Kirchenvorstands St. Nikolaus erläutert die architektonische Gesamtanlage mit ihren baufällig oder zumindest doch stark renovierungsbedürftigen Ecken und Nischen. Pfarrer Andreas Süß führt an diesem Tag bereits die dritte Gruppe ins Kircheninnere und wird nicht müde, auch das zu erläutern, was man nicht sieht: die Beheimatung einer vitalen Kirchengemeinde mit vielen aktiven Menschen, die hier zur Kirche gehen, aber auch zahlreiche andere Angebote wahrnehmen und damit Versammlungs-, Arbeits- und Gesprächsräume im Treffpunkt oder rund um die Kirche nutzen. Das heißt, der Seelsorger gibt wesentliche Hintergrundinformationen und spricht über das, was St. Nikolaus jenseits seiner Mauern auch noch ausmacht und für manch einen sogar Lebensmittelpunkt bedeutet.

Insgesamt sind es nach zwei Tagen 140 Studenten der Technischen Hochschule Köln, die mit ihren Architektur-Dozenten das 600 Quadratmeter große Gemeindezentrum von St. Nikolaus kennengelernt haben, was zunächst trotzdem nur für einen ersten Eindruck reicht. Denn wiederholte Ortstermine in den kommenden Wochen mit intensiveren Untersuchungen des Areals sollen für eine Vertiefung von Beobachtungen und Erkenntnissen sorgen. So sieht es der Lehrplan der Uni vor, und so formuliert Rüdiger Karzel die Aufgabenstellung. Der Professor für den Bereich „Konstruieren und Entwerfen“ am Institut für Architektur, Konstruktion und Theorie an der TH, der gemeinsam mit fünf weiteren Kollegen die Studierenden des 5. Semesters unterrichtet und zu diesem pädagogischen Ausflug ins Bergische eingeladen hat, ist dankbar für die Vermittlung dieses Projekts durch Julia Gralka. Die 20-Jährige ist Architekturstudentin des 3. Semesters, hat den Kontakt zu ihrer Bensberger Pfarrei hergestellt und Pfarrer Süß für diese Kooperation geworben.

Nun können die Studenten gewissermaßen am „lebenden Objekt“ lernen. Sie können ausprobieren, berechnen und letztlich zu einem Modell zusammenfügen, was ihr Wissen an Statik, Energietechnik, Raumgestaltung, Denkmalpflege oder Ökonomie – alles begleitende Seminare im Studienalltag – und letztlich eben auch die eigene Phantasie hergibt. Natürlich nach den zugrundeliegenden Vorgaben der Projektgruppe „Pastoraler Zukunftsweg“. Denn von hier kommt eine Fülle an „Input“: Es gibt den Grundriss der Kirche, einen Lageplan, der alle zum Gemeindezentrum gehörenden Gebäude und ihre Zugänge auflistet, aber eben auch – ganz wichtig für Pfarrer Süß und die örtliche Projektgruppe – vor allem viele pastorale Hinweise, die sich aus der Gemeindebefragung ergeben haben und die die Grundlage für jede Form der Neugestaltung bilden sollen.

Bei einem Vortreffen im Sommer war Pfarrer Süß einer Einladung von Professor Karzel zu einem Brainstorming in den Hörsaal nach Deutz gefolgt. Wie kann diese Kooperation zwischen der TH, an der sich nun immerhin sechs Institute der Hochschule mit St. Nikolaus beschäftigen wollen, und der Gemeinde konkret aussehen? Das haben damals alle gemeinsam miteinander überlegt. Ganz unerfahren sind die angehenden Architekten zwischen 22 und 25 schließlich nicht mehr. Auch in den vorangegangenen Semestern haben sie sich schon mit Entwürfen in ganz großem Stil, wie beispielsweise zu einem Theater oder Museum, und mit den Themen „Wohnungs-“ oder „Skelett-Bau“ beschäftigt. Jetzt geht es zum ersten Mal für sie um kirchliche Gebäude und auch um eine städtebauliche Analyse der Umgebung. Also um die Frage: Was passt überhaupt an diesen sehr besonderen Ort? Warum sieht das Gebäude so aus, wie es aussieht? Wie war seine Entstehungsgeschichte? Welche Nebenbauten wurden zu welcher Zeit hinzugefügt? Wie werden sie genutzt? Was kann eventuell rückgebaut werden? Das alles seien Überlegungen, so Architekturexperte Karzel, die bereits Teil der Einführung in dieses Projekt gewesen seien.

„Bilder allein ersetzen nicht die Stimmung, die zu spüren ist, wenn man sich hier aufhält und auf diesem Kirchplatz steht“, gibt Nadine Zinser-Junghanns außerdem zu bedenken. Und die hält die für das Fach „Entwerfen und Gestalten“ zuständige Professorin, die ebenfalls zu der sechsköpfigen Dozenten-Gruppe gehört, für ganz entscheidend, wenn es jetzt an die Arbeit gehen soll und ein richtig großer (Ent)-wurf entstehen soll. Die Architektin erklärt, dass ihre Studenten in den kommenden Wochen erst einmal gut mit dem Nachbau der Gebäudevolumina und ihrer Umgebung beschäftigt sein werden. Denn die jungen Leute müssen ein Gefühl für die Proportionen bekommen und dann zunächst ein Bestandsmodell anfertigen, bevor dieses um eigene planerische Vorstellungen ergänzt wird. „Anhand dieses Modells muss dann die Kubatur des Bestandes – das ist der Fachbegriff für den dreidimensionalen Umriss von Architektur – überprüft werden“, sagt sie. Für die Planung bekämen die Studenten schließlich ein Raumbedarfsprogramm mit dem Saal sowie den Jugend- und Mitarbeiterräumen, die für das neue Gemeindezentrum gewünscht werden, an die Hand. Auch müsse jeder einzelne sehr grundsätzlich entscheiden, ob er eine Umnutzung der einzelnen Gebäude oder eher einen Neubau favorisiere.

„Es gibt eine ganze Bandbreite an möglichen Ansätzen. Zurzeit befinden wir uns noch ganz am Anfang“, unterstreicht Professor Karzel. Wenn aber dann alle Entwürfe vorlägen, könne die Gemeinde aus diesen Anregungen die Auslobung eines Architekturwettbewerbs entwickeln. „Das ist die win-win-Situation bei dieser Zusammenarbeit“, resümiert der Kölner Fachmann. „Unsere Studenten stellen sich einer spannenden Herausforderung an einem konkreten Ort – so etwas haben wir nicht oft – und die Gemeinde bekommt kostenlos ein paar tolle Anregungen.“ „Trotzdem“, stellt Pädagogin Zinser-Junghanns klar, „treten wir nicht in eine Konkurrenz zum freien Markt. Wir sind allein für die Ideen zuständig, nicht für deren Umsetzung. Im Moment interessieren wir uns für St. Nikolaus ausschließlich als wissenschaftliches Objekt.“

Text und Foto – Beatrice Tomasetti

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