Im Alpha-Kurs über Gott und das Leben ins Gespräch kommen – Jede Woche werden es mehr Teilnehmer
Die Tafel ist festlich gedeckt. Efeuranken und kleine Bütenstauden setzen auf dem seidig glänzenden Tischtuch einen wirkungsvollen Farbakzent. Die vielen Kerzen sorgen für gedämmtes Licht, und den zahlreichen Gästen, die sich aus der dampfenden Suppenterrine bedienen, steht ihre freudige Erwartung ins Gesicht geschrieben. Hier geht es nicht darum, mal eben schnell gemeinsam eine Mahlzeit einzunehmen, um ein Bedürfnis zu stillen. Hier wird Gastfreundschaft gelebt und ausgekostet. Dazu gehören Genuss und Muße: mit dem Tischnachbarn in ein Gespräch kommen und dabei gleichzeitig mit Aufmerksamkeit umsorgt zu werden.
„Bevorzugen Sie Rot oder Weiß“, fragt Pfarrer Andreas Süß, der mit zwei Weinflaschen in der Hand an den Stuhlreihen entlang geht. Denn zusammen mit einem Orga-Team, das die Bewirtung der zahlreichen Besucher an diesem Abend im Blick hat, gibt er den Gastgeber: wie so oft mit einem gewinnenden Lächeln, authentisch positiv und um das Wohl derer bemüht, die sich zum ersten Mal im „Treffpunkt“ begegnen. Dem Seelsorger geht es darum, auch denen, die nicht aus der eigenen Pfarreiengemeinschaft kommen, den Einstieg in diese Veranstaltung so angenehm wie möglich zu machen und Brücken zu bauen zwischen denen, die hier in der Pfarrei verwurzelt sind, und denen, die zum ersten Mal Kontakt zur lokalen Kirche aufnehmen.
Zuvor hat ein Empfangskomitee draußen vor der Tür die Ankommenden begrüßt und zu diesem ersten Alpha-Kurs in der Gemeinde St. Nikolaus willkommen geheißen. Der Button mit dem Vornamen auf Kleid und Hemd hilft, die sonst konventionelleren Umgangsformen klein zu halten und sich vielmehr mit bewusst herzlichen Gesten und dem persönlicheren „Du“ rasch als Gleichgesinnte zu verstehen. Denn wer zu einem „Alpha“-Abend kommt, ist auf der Suche. So oder so. Entweder ist er engagierter Christ und hofft auf eine Vertiefung seiner Glaubensüberzeugung. Oder aber er hatte bislang wenig Kontakt mit Religion, Kirche und Glaube und will einmal hineinschnuppern in dieses niederschwellige Angebot, Nichtwissen und Zweifel offen in der Gemeinschaft bekennen zu dürfen. „Alpha ist ein Angebot und beruht auf Freiwilligkeit“, betont Süß, um Missverständnissen vorzubeugen. „Jeder darf hier sein, wie er ist. Nichts von dem Gesagten wird be- oder verurteilt. Das bedeutet, uns ist auf der Skala zwischen Null und Zehn, was den eigenen Glauben oder auch das Hadern damit angeht, jeder willkommen, der sich selbst mit seinen Fragen oder aber auch Gewissheiten öffnen und darüber in einen Austausch mit anderen kommen will.“
Joscha Teubert und seiner Frau Canshia, gebürtig aus Sri Lanka, liegt gerade an dieser Form der Auseinandersetzung. Vor einem Jahr hat Pfarrer Süß das Paar getraut und nun eingeladen, diese Gelegenheit zu nutzen, als Neuhinzugezogene andere Gemeindemitglieder kennenzulernen. „Wir hoffen mit unserer Teilnahme auf eine Vertiefung unseres Glaubenswissen und darauf, uns hier integrieren zu können und heimisch zu werden“, sagt der 43-Jährige. Ute Rind, die gemeinsam mit Theologe Theodor Gatzweiler eine der Kleingruppen leitet, in denen es nach dem Essen und einem Impulsfilm um ein Gespräch über die Frage „Warum starb Jesus?“ gehen soll, argumentiert: „Ich finde es immer bereichernd, mit Menschen über den Glauben zu sprechen. Auch wenn jemand nicht glaubt, interessieren mich seine Gründe, um seine Sichtweise zu verstehen. Das ist doch hochspannend.“ Gerhard Bauer leitet ebenfalls eine der Gesprächseinheiten und hat Alpha-Kurse schon 2012 bei der Freikirche kennengelernt. Nun ist er von Pfarrer Süß dafür geworben worden, über seine persönlichen Erfahrungen zu sprechen. Sein Antrieb sei, so erklärt der Leverkusener, andere zu einer liebenden Beziehung zu Gott zu führen. Mit einem Essen zu starten sei doch „total Klasse“, findet er. Beispiele dafür in der Bibel gebe es genug. Schließlich habe sich Jesus sogar mit Zöllnern an einen Tisch gesetzt, um ungezwungen mit ihnen in Kontakt zu kommen. Alpha mache es einem leicht, diesem Vorbild nachzueifern und sich mit zunächst fremden Menschen zu verständigen. „Das Großartige ist doch, dass ich hier darüber sprechen kann, was ich vom Evangelium verstanden habe.“ Ein Alpha-Kurs sei wie ein Samenkorn für die Verlebendigung der Gemeinde- und Seelsorgearbeit, so Bauer.
Wilhelm Frings schätzt die heimelige Atmosphäre bei Tisch. Der 81-Jährige gesteht, dass er sich schon lange nicht mehr mit Glaubensthemen beschäftigt hat. „Irgendwie wächst man in seinen Glauben hinein und hinterfragt ihn später nicht mehr groß.“ Nun aber sei für ihn der richtige Zeitpunkt gekommen, manches nochmals aufzufrischen. Außerdem kämen im fortgeschrittenen Alter noch einmal andere Überlegungen mit hinzu, meint er.
Anna Berghäuser nimmt gemeinsam mit ihrem Mann am Alpha-Kurs teil. „Wir wussten überhaupt nicht, was hier auf uns zukommt“, sagt die 29-Jährige, die immer auch ihr drei Monate altes Baby mitbringt. Die junge Familie, die Pfarrer Süß bewusst zu anderen Paaren ihrer Generation an einen Tisch gesetzt hat, findet es „interessant, über den Glauben zu sprechen“ und freut sich über die Gelegenheit, auf diese Weise an die Gemeinde andocken zu können. Gerade auch weil demnächst ihre Tochter in St. Nikolaus getauft werden soll, sie hier bislang noch kaum jemanden kennen und der Lebensmittelpunkt nun in Bensberg liegt. Manches zum Thema „Glaube“ weiß die junge Frau noch aus ihrer Kindheit; Kontakt mit der Kirche hatte sie zuletzt während des Studiums aber eher nur sporadisch. „Trotzdem fühlen wir uns hier willkommen“, betont sie. „Wir lernen Leute in unserem Alter kennen und sind eher überrascht: Alpha ist ja gar nicht wie Religionsunterricht.“
Auch sie genießt die Tischrunde mit der von Woche zu Woche variierenden Speisekarte. Doch damit auch dieser Teil des Abends – das gemütliche Essen – gelingt, gibt es fleißige Mitarbeiter im Hintergrund. Sie sind Teil eines Teams um Magdalena Gralka, die das „Küchenkommando“ übernommen hat und jede Woche neu überlegt, was den mitunter 70 Gästen serviert werden kann. Primär aber kommt auch sie wegen der Glaubensgespräche. Denn Gralka schätzt die Ernsthaftigkeit dieser Begegnungen und den Tiefgang, der in ihrer Gruppe zu spüren ist. „Hier erlebe ich, dass andere genauso wie ich auf der Suche nach Antworten und Erfahrungen mit Gott sind und sich trauen, darüber zu sprechen. Früher oder später kommt man für sich ja doch immer an eine Grenze. Daher tut es gut, den Glauben miteinander teilen zu können.“ Schließlich könne man niemandem beibringen zu glauben; Glauben lasse sich nur erfahren.
„Vorurteilsfrei, ohne Vorkenntnisse und auf Augenhöhe“, so ist der Glaubenskurs „Alpha“ in der offiziellen Ausschreibung definiert. In Bensberg wird das seit drei Wochen wörtlich genommen.
Text und Foto – Beatrice Tomasetti