Auch wenn der zukünftige Kölner Generalvikar in diesen Tagen ein gefragter Mann ist, für einen ganz besonderen Termin hat er sich dennoch Zeit genommen. Nach einem gemeinsamen Gottesdienst mit Pfarrer Kirchner lud er Kinder aus St. Nikolaus und St. Joseph in seinen Garten ein.
Den originellsten Einfall hat Vincent. Auf die Frage, wie wohl die Kapelle mit dem golden leuchtenden Altarbild und den vielen Menschen, die darauf das Jesuskind auf Marias Schoß anbeten, heißen könnte, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Gold-Weihrauch-Myrrhe-Kapelle?“ Ganz abwegig sei das nicht, stimmt ihm Dompropst Monsignore Guido Assmann schmunzelnd zu, zumal er vorher lange mit den Kindern über die Gaben gesprochen hat, die da auf dem Gemälde dem Neugeborenen in kostbaren Gefäßen gebracht werden. Dann schaut der Seelsorger fragend in die Runde, um noch mehr Anregungen zu sammeln. „Heilige Kapelle vielleicht?“, meint Leia zögerlich. „Oder Dreikönigskapelle?“, ist aus den hinteren Kirchenbänken zaghaft zu vernehmen. „Ihr liegt mit Euren Ideen alle nicht ganz falsch“, kommentiert Assmann freundlich. Dann lässt er seine jungen Zuhörer, die an diesem Morgen eigens zur Mitfeier der Messe in den Kölner Dom gekommen sind, zunächst das Kunstwerk beschreiben und die wichtigsten Figuren namentlich benennen. Schließlich löst er selbst das Rätsel auf und erläutert: „Ohne die Gottesmutter Maria gäbe es Jesus nicht. Sie spielt für den Künstler des Mittelalters, der damals dieses Bild der Stadtpatrone gemalt hat, eine zentrale Rolle. Und deshalb trägt dieser Ort auch den Namen ‚Marienkapelle’.“
Eigentlich sei sie so etwas wie eine kleine Kirche in einer großen Kirche, in die viele Besucher schon in aller Herrgottsfrühe kämen: die allerersten zur Messe um 6.30 Uhr, andere dann zu den Zeiten um 7.15, um 8 oder um 9 Uhr, berichtet der Dompropst in seiner Katechese. „Manchen Menschen ist es wichtig, noch vor der Arbeit in den Kölner Dom zu kommen. Sie wollen mit Gott ihren Tag beginnen.“ Und da sie gar nicht alle in diesen kleinen Kapellenraum hineinpassten, manche von weit her auch nicht wirklich dabei sein könnten, gäbe es über das Domradio jeden Morgen auch eine Live-Übertragung, so dass dennoch allen die Teilnahme an den täglichen Gottesdiensten ermöglicht werde. „Da feiern dann manchmal bis zu 15.000 Menschen weltweit mit uns im Dom Eucharistie.“
Dompropst Assmann erläutert den Kindern Lochner-Altar
Man merkt dem Chef des Domkapitels seine langjährige Erfahrung als Gemeindepfarrer im Umgang mit der jüngsten Generation an. Pädagogisch einfühlsam und um eine einfache Sprache bemüht, erschließt der Dompropst den etwa 30 Kindern, die zusammen mit ihren Eltern die Kapelle bis auf den sprichwörtlich letzten Platz füllen, diesen besonderen Raum, hebt die Bedeutung dieser Darstellung von Stephan Lochner hervor und stößt die noch kleinen Kirchgänger auf das Wesentliche dieses Kunstwerkes: auf die Anbetung durch die Heiligen Drei Könige.
„Sie knien nieder und freuen sich, endlich den ihnen verheißenen König gefunden zu haben. Zuvor waren sie einem Stern gefolgt, der sie zu einem Stall in Bethlehem geführt hat.“ Assmann erzählt von den Weisen aus dem Morgenland und erklärt, dass man sich das Kind in der Krippe nicht als König im herkömmlichen Sinne mit Schloss und Krone vorzustellen habe, sich die Menschen zur Zeit Jesu aber einen Erlöser und starken Herrscher gewünscht und sich Sterndeuter auf den Weg gemacht hätten, diesen König, auf den alle so sehnlichst gewartet hätten, ausfindig zu machen.
Dompropst Assmann: Wir haben einen gemeinsamen Freund
Aufgrund der drei für die damalige Zeit unermesslich wertvollen Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe, die sie mitgebracht, und der weiten Reise, die diese Männer auf sich genommen hätten, habe man darauf geschlossen, dass es sich um drei Könige gehandelt haben müsse. „Und heilig werden sie genannt, weil sie Freunde von Jesus sind. Sie waren die Ersten, die ihn als den Sohn Gottes verehrt haben.“ Später habe man ihre Knochen – die Reliquien von Kaspar, Melchior und Balthasar – nach Köln gebracht und ein kostbares Haus aus Gold dafür – den Dreikönigenschrein – gebaut, so dass Menschen bis heute aus allen Kontinenten zum Dom pilgerten, um es wie die drei Könige von damals zu halten: vor dem Gottessohn niederzuknien. „Der ganze Kölner Dom ist einzig dazu da, Jesus zu ehren“, betont Assmann. Ausdrücklich bedankt er sich bei den Kindern für ihren Besuch. „Toll, dass Ihr hierher gekommen seid!“, ruft er ihnen zu. „Das zeigt, wir haben einen gemeinsamen Freund: Jesus, den wir heute feiern, zudem wir jetzt gemeinsam beten wollen.“
Die Idee zu diesem Ausflug hatte Pfarrer Elmar Kirchner aus Bergisch Gladbach, der Ende Mai mit über 70 Kindern Erstkommunion im Seelsorgebereich Bensberg/Moitzfeld gefeiert hat. Viele der Kinder hätten noch nie den Kölner Dom von innen gesehen, stellt der bei den Familien beliebte Seelsorger fest, den seit Studientagen eine enge Freundschaft mit Assmann verbindet und der auch vor diesem Hintergrund auf eine Lücke im Terminkalender des viel beschäftigten Mitbruders gehofft hatte. „Da lag es nahe, doch einmal an der Quelle nachzufragen“, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Eine Messe im Dom mit anschließender Führung, einem Picknick und Spielen im Garten des Dompropstes – das ist für die Kinder immerhin ein ganz besonderes Highlight.“ Vor allem aber verknüpft Kirchner mit diesem Angebot das Anliegen, die zentralen Glaubensinhalte aus der Erstkommunionvorbereitung immer wieder – auch über die große Feier hinaus – mit den Kindern zu vertiefen und vor allem den Kontakt zu ihnen nicht abreißen zu lassen. „Steter Tropfen höhlt den Stein“, ist er überzeugt, und dass es in der Katechese für Neunjährige pädagogisch um eingängige Kernbotschaften, eben kindgerecht einfache Glaubenssätze, gehen sollte.
Das Wesentliche für Kinder vereinfachen
„Wir müssen die mitunter schwierigen Texte für die Kinder so übersetzen, dass sie verstehen, was es heißt, als Christ im Alltag zu leben.“ Assmann ergänzt: „Und wenn man die Kinder erreicht, erreicht man auch die Erwachsenen.“ Gerade darin bestehe ja die Kunst: ein Theologiestudium auch auf die Erfahrungswelt von Kindern herunterzubrechen und das Wesentliche dementsprechend so zu vereinfachen, dass auch die Kleinsten einen Zugang zu den Geschichten der Bibel fänden und dafür ansprechbar würden. Kirchner betont: „Außerdem ist der Kölner Dom als Bischofskirche auch ein gutes Symbol für die Weltkirche, deren Ausmaße sich Kinder kaum vorstellen können. Hier aber bekommen sie einen Eindruck davon, was es heißt, mit seinem Glauben nicht allein, sondern mit Christen auf allen Kontinenten verbunden zu sein.“
Ist das wirklich alles Gold? Und sind da in echt die drei Könige drin? Was sind das für bunte Steine? Warum steht der Schrein in einem Glaskasten? Und war der richtig teuer? Derweil geht es im Binnenchor lebhaft weiter. Denn die kleinen Besucher haben viele Fragen und machen große Augen, als sie der Dompropst und designierte Generalvikar des Erzbischofs nach der Messe ganz nah an den Dreikönigenschrein heranführt. Er erzählt, dass man zu besonderen Anlässen ausnahmsweise sogar darunter hergehen dürfe, und lädt sie zu einer kleinen Prozession ein. Auch mit der Tatsache, dass der Fixpunkt für sämtliche Entfernungen von und nach Köln vom Vierungsstern, der sich hoch über dem Dach befinde, berechnet würde, fasziniert er die quirlige Schar. Dann deutet er auf den Altar: „Das ist der größte Stein in dieser riesigen Kirche. Der allein wiegt sechs Tonnen und wurde an genau diesem Punkt zur ersten Messfeier im Kölner Dom errichtet.“ Demnächst werde außerdem ein großes Fest begangen. „Denn hier stehen wir im ältesten Teil der Kathedrale, der bald 700. Geburtstag feiert. Damals – im Jahr 1322 – war diese riesige Kirche, wie wir sie heute kennen, noch gar nicht ganz fertig.“ Mit Ochsenkarren hätten die Bauleute zu dieser Zeit mühsam das notwendige Material aus den Steinbrüchen des Siebengebirges herangeschleppt.
Bis zu 20.000 Touristen an Sommertagen im Dom
Auch als Assmann über die Ausmaße des Domes spricht, sorgt er für ungläubiges Staunen. 40 Meter hoch sei allein das Mittelschiff bis zur Decke. „Das ist so, als würde man mit 40 Kindern eine große Leiter bauen, bei der immer einer auf den Schultern des anderen steht.“ Viel Information in anschaulichen Bildern verpackt – damit kann er sich der Aufmerksamkeit seiner kleinen Zuhörer, die in ihrer Neugier nicht locker lassen und immer noch mehr von diesen interessanten Geschichten rund um den Dom erfahren wollen, sicher sein. Dann führt er die Gruppe zur Schmuckmadonna. „Hier stellen die Menschen Kerzen auf und sprechen ein Gebet.“ Noch heute sei es so, dass mitunter Besucher etwas Wertvolles mitbrächten und Maria einen kostbaren Ring oder eine Kette schenken wollten. „Sie sagen: Ich liebe Maria und bitte sie, für mich zu beten.“ Aus der morgens noch überschaubaren Anzahl an brennenden Lichtern werde dann oft über Tag ein großes Lichtermeer. „Im Sommer kommen bis zu 20.000 Touristen am Tag“, so der Dompropst. „Viele von ihnen zünden eine Kerze vor der Gottesmutter an und erhoffen sich damit von ihr Hilfe für ihr Leben.“
Text und Fotos – Beatrice Tomasetti