„Die Kirche muss sich entwickeln“

Dass junge Menschen sich für Glaubensfragen interessieren, ist heute nicht selbstverständlich – dass sie sich aktiv für die Kirche engagieren, noch viel weniger. Clara Hagemann und Fiona Schlesinger sind seit einigen Jahren Messdienerleiterinnen in der Gemeinde. Kirche ist Teil ihres Lebens. Aber sie sagen auch: Es muss sich etwas ändern. Im Gespräch geben sie Auskunft über ihr Engagement und darüber, was sie in der Kirche hält.

Viele junge Menschen sind heute mit Schule, Ausbildung und Hobbies ausgelastet. Ihr engagiert euch dagegen in eurer Freizeit für die Kirche, seid aktiv in der Jugendarbeit tätig. Wie kam es dazu? Und warum macht ihr das?

Clara/Fiona: Wir sind nach der Kommunion Messdiener geworden und hatten innerhalb der Messdienerschaft von Beginn an sehr viel Spaß, haben tolle Sachen erlebt und viele coole Leute kennengelernt und Freunde gefunden. Das gilt auch immer noch und mit dem Leitersein haben wir die Möglichkeit, auch Jüngeren diese Erfahrungen zu ermöglichen.

Die Corona-Pandemie hat die normale Jugendarbeit über Monate lahmgelegt. Gruppentreffen, Fahrten und ähnliches waren nicht möglich. Wie habt ihr den Kontakt untereinander gehalten? Welche Erfahrungen habt ihr in dieser Zeit gemacht? 

Clara/Fiona: Leiterrunden sowie Gruppenstunden haben wir über Zoom weiterlaufen lassen. Zwar fiel es uns ab einem bestimmten Punkt etwas schwer, uns neue Dinge für die Online-Gruppenstunden einfallen zu lassen. Aber im Großen und Ganzen haben wir die verschiedenen Lockdowns so ganz gut überbrücken können. Trotzdem freuen wir uns sehr, dass es nun endlich wieder in Präsenz weiter geht.

Sich zur katholischen Kirche zu bekennen, ist heute nicht gerade populär. Werdet ihr von AltersgenossInnen auf euer Engagement angesprochen, dafür vielleicht auch kritisiert? Diskutiert ihr mit anderen darüber?

Clara/Fiona: Grundsätzlich fällt uns auf, dass sich der Grund für negative Reaktionen auf unser Engagement verändert hat. Früher war Messdiener sein einfach mit „langweilig“ assoziiert. Heute muss man sich unter politischen Aspekten rechtfertigen, da die Kirche mit ihren Regeln und Strukturen ein extrem konservatives Bild darstellt. Ob diese Verschiebung an einer gesellschaftlichen Veränderung oder einfach am Älterwerden liegt, können wir nicht beurteilen. Uns ist es aber wichtig, offen zu kommunizieren, dass wir zwar in der Kirche aktiv sind, deswegen aber nicht automatisch deren Ansichten vertreten und weitergeben. 

In eurem Leben spielen christliche Werte eine große Rolle, die ihr aber – laut eigener Aussage –  in der katholischen Kirche aktuell nicht wiederfinden könnt. Was genau meint ihr damit?

Clara/Fiona: Dies ist ein sehr vielfältiges und weitreichendes Thema, das schwierig auf einen Punkt zu reduzieren ist. Das, was uns aber vermutlich am meisten stört, ist, dass Aussagen und Handeln nicht zusammenpassen. Zum Beispiel wird einem von klein auf erzählt, dass eins der wichtigsten Merkmale von Jesus war, dass er sich immer an die Außenstehenden gewandt hat, und wir wurden dazu angehalten, ähnlich zu handeln. Niemand soll ausgeschlossen werden, jeder Mensch ist gleich viel wert. Im extremen Gegensatz zu diesen Aussagen und Lehren stehen dann diskriminierende Regeln wie z.B. Segnungsverbote für Homosexuelle und das Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau.

Dennoch sagt ihr, aus der Kirche auszutreten sei für euch keine Option. Woraus schöpft ihr Kraft und Motivation, dabeizubleiben?

Clara/Fiona: Uns macht unser Engagement Spaß. Wir haben größtenteils Gleichgesinnte um uns herum und das Gefühl, dass sich gerade unter den jungen Leuten viele ebenfalls nach Veränderung sehnen. Zudem sehen wir auch ein großes Potential in der Kirche, da sie einem Raum bietet, in dem sich Menschen begegnen können, Hilfe erfahren und sich engagieren.

Was müsste sich in der katholischen Kirche aus eurer Sicht verändern?  Wie soll die Kirche von morgen aussehen, damit sie einladend ist für euch und andere junge ChristInnen?

Clara/Fiona: Die Kirche muss sich, um ein Teil der Gesellschaft zu bleiben, mit dieser entwickeln.

Wie zufrieden seid ihr mit euren „Heimat“-Gemeinden St. Nikolaus und St. Joseph? Sollte sich hier auch etwas verändern? Wenn ja: was?

Clara/Fiona: Grundsätzlich haben wir uns in unserer Gemeinde immer wohl gefühlt. Gerade in den Jugendgruppen wird ja bereits eine relativ moderne und lockerere Form von Kirche gelebt, mit der wir uns identifizieren können. Aber natürlich gibt es auch in unserer Gemeinde unterschiedliche Meinungen. Wir würden uns freuen, wenn Kritik an der Kirche und die verschiedenen Blickpunkte offen thematisiert, diskutiert und bequatscht werden.

Könntet ihr euch vorstellen, in einem Gremium der Gemeinde mitzuwirken, zum Beispiel dem Pfarrgemeinderat?

Clara/Fiona: Es hört sich vielleicht seltsam an, aber wir engagieren uns in der Messdienerschaft nicht unbedingt der Kirche wegen, sondern weil uns die Arbeit mit den Kindern und die Erlebnisse in der Gruppe Spaß machen. Wenn es später mal ein Amt gibt, das uns ähnlich viel zurückgibt, würden wir ein Engagement in einem anderen Bereich nicht ausschließen.

Das Gespräch führte Martina Martschin

Fotos – Clara Hagemann, Fiona Schlesinger