Inzwischen haben sich bereits mehr als 22 Millionen Inder mit dem Corona-Virus angesteckt. Die Lage im Land ist katastrophal. Besonders die Ärmsten sind besonders betroffen: Tagelöhner verdienen zurzeit kein Geld, um ihre Familien ernähren zu können. Entsprechend groß ist die Not. Seit Ausbruch der Pandemie unterstützt die in Bensberg ansässige BONO-Direkthilfe ihre Partnerorganisitionen vor allem bei der Bereitstellung und Finanzierung von Lebensmittelspenden, aber auch medizinischen Hilfen. In einem Domradio-Interview erläutert Gereon Wagener, wie.
Die BONO-Direkthilfe unterstützt weltweit Menschen, die akut in Not sind, auch aktuell in Indien. Die Regierung hat in den letzten Tagen mehr als 4.000 Tote innerhalb von 24 Stunden gemeldet – zum zweiten Mal hintereinander. Die tatsächlichen Zahlen der Corona-Toten in Indien liegen aber wahrscheinlich noch weit über den offiziellen. Warum ist da keine Besserung in Sicht?
Gereon Wagener (Zweiter Vorsitzender der BONO-Direkthilfe): Ja, Sie haben absolut recht. Es werden nur die Toten in den Krankenhäusern offiziell gemeldet und registriert. Und da sterben mit Abstand die wenigsten Menschen. Das berichten alle unsere Partnerorganisationen in Indien. Man kann also davon ausgehen, dass die Zahlen um ein Vielfaches höher sind. Warum sich bis heute nichts geändert hat, ist mit Abstand schwer zu sagen, aber es scheint ganz offensichtlich völlig falsch eingeschätzt gewesen zu sein. Es sind Wahlen in Indien durchgeführt worden in den letzten drei Monaten, wo auch die Regierungspartei hoffte, Gewinne davonzutragen. Es sind religiöse Festivals durchgeführt worden mit Millionen von Anhängern wie Kumbh Mela, was ja auch hier in den Nachrichten berichtet wurde. Man hat – glaube ich – unterschätzt, dass diese zweite Welle noch viel, viel stärker sein kann und jetzt eben leider auch sein wird als die erste.
Die Lage ist dramatisch. Welche Maßnahmen gibt es in Indien, mit denen man jetzt die Pandemie versucht einzudämmen?
Wagener: In den meisten indischen Teilstaaten gilt ein strenger Lockdown. In Mumbai sieht es im Moment so aus, dass die Menschen morgens zwischen sechs und acht Uhr noch rausgehen dürfen, um Dinge einzukaufen. Dann gilt 22 Stunden lang ein Lockdown. Das bedeutet: Über 20 Millionen Menschen, die jetzt in den Häusern hängen. Es ist vonseiten der Regierung kein wirklich klares Konzept da. Das erkennt man an Aussagen wie der Bevölkerung zu raten, vitaminreiches Obst zu essen, worauf dann innerhalb weniger Stunden alle Geschäfte in Mumbai ausverkauft waren. So wird das auch in anderen Städten gewesen sein. Die Versorgungslage ist aktuell noch in Ordnung. Aber es sieht danach aus, dass möglicherweise binnen kürzester Zeit auch die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zumindest stark ins Stocken gerät oder sogar zusammenbricht.
Indien bekommt jetzt schon internationale Hilfe. Deutschland zum Beispiel hat Sauerstoff geschickt und auch eine Anlage zur Herstellung von Sauerstoff. Und auch die Hilfswerke versuchen zu helfen, wo sie können. Aber was muss noch passieren, damit Indien es vielleicht wieder schafft, die Lage wirklich in den Griff zu kriegen?
Wagener: Auch das ist schwierig von außerhalb zu beantworten. Wir haben mit unseren Partnern gesprochen. Die sagen, auf der einen Seite wäre ein ganz, ganz strenger Lockdown landesweit sicherlich hilfreich. Und dann kommt sofort das aber, weil dann eben wieder Millionen Menschen ihre Arbeit verlieren, die Lebensmittel-Situation schwieriger wird. Man versucht mit Mitteln zu arbeiten, die sich international bewährt haben. Aber wir müssen im Kopf halten, dass das ein Land mit knapp 1,4 Milliarden Menschen ist. Und selbst die Hilfe, die jetzt aus dem Ausland eintrifft, kommt nach Delhi in die Hauptstadt. Dann stehen die Sachen dort am Flughafen. Indien ist ja ein großes Land. Bis die Hilfe dann tatsächlich wirklich flächendeckend die Bevölkerung erreicht, wird es Wochen und Monate dauern.
Und die Frage ist natürlich: Was ist mit den Tagelöhnern, mit den Menschen, die wirklich gar keine Chance mehr haben, irgendwie Geld zu verdienen, wenn es einen landesweiten Lockdown geben sollte?
Wagener: Die sind am stärksten betroffen, auch weil sie überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Hilfe haben. Die Menschen sind verzweifelt. Sie sagen, dass sie so etwas noch nie erlebt haben. Sie sind in Angst, sie sind in Not. Und es gibt im Moment überhaupt gar kein Signal von außerhalb oder auch innerhalb des Landes, womit eine Hoffnung verbunden ist, dass sich das in den nächsten Wochen bessert. Von daher geht man davon aus, dass sich die Situation weiter verschärft. Und das ist natürlich katastrophal für die Menschen vor Ort.
Was können Sie von hier aus tun, als BONO-Direkthilfe?
Wagener: Wir können über unsere Partner in Indien – wir haben drei Partnerorganisationen in Mumbai, Delhi und Kalkutta – direkte Hilfe für Betroffene leisten in Form von Lebensmittel-Unterstützung, in Form von Hygienemitteln und Masken. Wir können nicht im medizinischen Bereich helfen, außer dass wir Medizin für Betroffene mitfinanzieren können. Aber auch da fehlt es an allem: Die Schwarzmarktpreise gehen durch die Decke. Lebensmittelpreise haben sich erhöht. Sodass wir zumindest durch die finanzielle Unterstützung der Partner vor Ort, wo dieses Geld auch eins zu eins ankommt, beitragen können, die Not der Menschen, die zumindest über die Partnerorganisationen erreicht werden, zu lindern. Das ist eine ganz konkrete Form der Hilfe.
Text – Domradiobeitrag vom 10. Mai/ Interview Dagmar Peters.
Foto – BONO-Direkthilfe