Tödliches Liebesdrama mit starken Bildern

Es gibt Musik, die könnte ich Tag und Nacht hören. Und es gibt Bilder, die brennen sich einem in ihrer Aussagekraft ein, so dass man sie so schnell nicht mehr los wird. Beides verbinde ich mit der Oper „Tosca“, die noch einmal als letzte Vorstellung vor der Sommerpause im Deutzer Staatenhaus gegeben wurde und für mich ein ganz besonderer „Sommer-Moment“ war. Musiktheater alla Puccini ist immer dramatisch und endet stets tödlich für die Protagonisten. Das macht vielleicht seinen Reiz aus, weil es bis dahin dann alles gab, was ein spannendes Libretto ausmacht: Liebesschwüre, Prüfungen, Eifersucht, Selbstüberschätzung, Intrigen, sogar Mordgelüste. Und wenn der Vorhang zum großen Finale fällt, war man mit dabei: mittendrin in einer Liebestragödie mit tödlichem Ausgang. Man durfte mitfühlen und mitleiden, sich in die Ausweglosigkeit der glücklos Liebenden hineindenken, Gänsehaut bei den besonders kunstvoll gesungenen Arien entwickeln, auf die spektakulär hohen Töne gefasst sein und sich – dem Alltag entrückt – für kurze Zeit in ein anderes Leben träumen: wo Gut und Böse klar definiert ist und sich letztlich alles allein um die Liebe dreht.

Der Regisseur ließ in seiner modernen Interpretation dieser im Jahr 1900 uraufgeführten Oper starke Bilder sprechen und adaptierte für seine Inszenierung von „Tosca“ von den originalen Spielorten nur die römische Kirche Sant’Andrea della Valle des ersten Aktes, um letztlich mit dieser einen Kulisse auszukommen und aus dem „heiligen Boden“ später die Folterhöhle und Hinrichtungsstätte des hinterhältigen Faschistenchefs Scarpia zu machen. Der große Altar in der Mitte der Bühne mit dem schwer darüber hängenden Kreuz war demnach auch mehr als nur Requisite. Er wurde in diesem großen Operndrama zum Zentrum, auf dem nicht nur der Mesner liturgische Handlungen vollzog, in denen die vom Krieg traumatisierten Menschen Beistand und Trost finden sollten. Mehr noch: Eigentlich wurde er zum Inbegriff einer sakralen Opferstätte, auf der nicht nur Baron Scarpia – das Böse an sich – widerwärtig seine Skrupellosigkeit und Brutalität zelebrierte, sondern auch sprichwörtlich mit Füßen trat, was menschliches Leben zusammenhält: nämlich die Liebe und der erbittert geführte Kampf um das, was um keinen Preis der Welt auf dem Altar der Intrige und des Verrates geopfert werden darf: das Treueversprechen als lebensnotwendiges Bindeglied zwischen den Menschen. Konsequent von der Regie zu Ende gedacht wurde dabei, dass letztlich an selber Stelle – eben mitten auf dem Altar – auch das Ringen der beiden leidenschaftlich Liebenden, der Sängerin Floria Tosca und des Kirchenmalers Mario Cavaradossi, im Tod endet; erst er es ist, der Erlösung schenkt.

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Hier wurde mit unmissverständlichen Anleihen an christliche Symbolik gespielt und an Tabus gerührt, die erschaudern lassen. Heiliges wird entweiht, der Missbrauch – in ganz unterschiedlichen Ausdeutungen – zur Maxime erhoben. Auch die Kriegsmaschinerie mit ihren Helfershelfern nimmt gnadenlos ihren Lauf: Der Sadist Scarpia imaginiert sich zum „Te Deum“ gar als Hohepriester einer selbstgeschaffenen Religion und ergötzt sich auf dem Höhepunkt seines menschenverachtenden Gebarens blasphemisch an Hostien und Messwein. Bombeneinschläge im Gotteshaus, der letzten Zufluchtsstätte für verängstigte Zivilisten, die Soldatenuniformen des Exekutionskommandos, die Folterung Cavaradossis mit Dornenkrone und Kreuzigung, die Verzweiflung Toscas, die ihren von den Schergen aufs Blut gepeinigten Helden in den Armen hält – wie zu einer Pietà geformt – mit der eigenen Selbstaufgabe freikaufen will und aus lauter Hilflosigkeit einen Pakt mit dem in der Figur Scarpias personifizierten Teufel eingeht – das alles sind Elemente, die dramaturgisch kaum zu steigern sind und einen mitreißen in diesen Strudel existenzieller, da lebensbedrohlicher Handlungsabfolgen. Der Krieg macht Menschen zu Bestien. Oder die Macht? Die Kriegsführer – das wird bei dieser Inszenierung überdeutlich – hinterlassen nichts als Trümmer und Gräber.

Dieser Opernabend, den ich mit meinen drei Söhnen erlebt habe und der uns reichlich Gesprächsstoff lieferte, bot zweifellos ganz großes Kino, das der Musik mindestens ebenbürtiger Partner war. Man sollte häufiger in die Oper gehen!

Beitrag und Foto – Beatrice Tomasetti

 


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