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Kreuzweg – Station 2

Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

Station-2 [1]

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„Nachdem sie ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Mantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an. Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen.“
(Mt 27, 31)

Ganz undramatisch beschreibt Matthäus hier einen Vorgang, der an Dramatik kaum zu überbieten ist. Wie bei den Römern üblich, wird Jesus als verurteiltem Delinquenten ein Balken aufgeladen, den er unter den Schlägen der Soldateska und dem Gegaffe der Menge zum Richtplatz zu schleppen hat. Dort wird man ihn mit ausgebreiteten Armen an diesen Querbalken nageln, der dann an einem senkrecht stehenden Pfahl hochgezogen wird. Jesus weiß, was ihn an Qual erwartet – und doch nimmt er diesen Balken entgegen.

Die Art dieser Annahme ist bemerkenswert. Die Gestalt Jesu wird vom Künstler ganz auf diese annehmenden Hände und Arme reduziert. Entschlossen und doch irgendwie behutsam umfasst Jesus dieses kantige Holz, das ihm den Tod bringen wird. Die geschundenen Arme und Hände umfassen den Balken, als würden sie eine Monstranz oder eine Ikone erheben. So als stünden darauf jene Worte, mit denen die Liturgie am Karfreitag das Kreuz besingt: „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung!“ Sieht Jesus mehr, als wir mit unseren menschlichen Augen in diesem schrecklichen Marterwerkzeug erkennen können? Denn ein Marterpfahl ist es ja in der Tat, obwohl uns die zahllosen Kreuzdarstellungen in unserem Alltag, die manchmal auch gedankenlos als bloßes Schmuckstück getragen werden, darüber hinwegtäuschen könnten. Das Kreuz ist kein schmückendes Accessoire, sondern ein Ort der Todesqual – damals in Jerusalem und zahllose Male vorher und nachher.

Auf diese „Geschichte des Kreuzes“, die bis in unsere Gegenwart reicht und sich wie ein Echo jener Hinrichtung auf Golgatha in den vielen, vielen Kreuzen einer geschundenen Menschheit bricht, macht der Künstler dadurch aufmerksam, dass er dem senkrechten Balken jenes Jerusalemer Kreuzes exemplarisch zwei „Querbalken“ aus unserer Zeit beifügt: die Schiene von Plötzensee, an deren Fleischerhaken Wiederstandskämpfer des 20. Juli 1944 von den Schergen Hitlers aufgeknüpft wurden und ein Balken der Pilgerkreuze südamerikanischer Landarbeiter, an denen schwarzgeknotete Tücher an jene erinnert, die im Kampf uns soziale Gerechtigkeit ermordet wurden.

In dieser Aktualisierung durch S. Köder wird auch deutlich, dass nicht jedes Leid und jede Not – und auch nicht jeder Widerstand gegen kirchliches Handeln – als „Kreuz“ bezeichnet werden darf. Das „Kreuz“ ist der Widerstand, der der Liebe Gottes in dieser Welt entgegenschlägt, ist der Preis, der im Einsatz für Friede und Freiheit, für Gerechtigkeit und Menschenwürde zu zahlen ist. Dieser Einsatz für die Menschen im Namen der Liebe Gottes hat Jesus ja letztlich ans Kreuz gebracht. Und nur weil das Kreuz das Symbol dieser bis zum letzten durchgehaltenen Liebe ist, einer Liebe, die Gott selbst in der Auferweckung Jesu machtvoll bestätigt hat, dürfen wir es wagen zu singen: „im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung!“

Jesus hat das Kreuz nicht gesucht, aber er ist ihm auch nicht ausgewichen, sondern hat es angenommen, als es ihm auferlegt wurde. Wie werden wir reagieren, wenn das Kreuz uns trifft? Werden wir versuchen zu flüchten, auszuweichen, oder werden auch wir die Kraft finden Stand zu halten – um der Menschen willen?

 

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