Großer Wurf für ein neues Gemeindezentrum

In St. Nikolaus wird die Renovierung des Treffpunkts zugunsten einer umfassenden Lösung ausgesetzt

Offene Kirche – dazu gehört auch, wie sich eine Gemeinde nach außen darstellt. Wie einladend und anziehend wirkt sie auf Nah- und Fernstehende? Welchen Raum und Rahmen bietet sie für Begegnungen? In St. Nikolaus wird über dieses Thema seit einiger Zeit nachgedacht: Denn der Treffpunkt, das Begegnungszentrum und gemeinsam mit der Kirche Herzstück des Gemeindelebens, ist längst kein Vorzeigeobjekt mehr. Für die Instandsetzung der sanierungsbedürftigen Bausubstanz aus den 1970er Jahren und die Anschaffung einer neuen Küche wurden seit langem Spenden gesammelt. Kurz vor dem Start der geplanten Renovierung deutet sich nun unerwartet eine völlig neue Entwicklung an: Aus Köln gab es grünes Licht für eine umfassende Neugestaltung des Gemeindezentrums unter Einbeziehung aller Kirchengebäude rund um St. Nikolaus. Die Diözese erklärt sich bereit, einen Großteil der dadurch entstehenden Kosten zu übernehmen. Diese Zusage ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Wie diese aussehen und welche Perspektiven sich daraus für St. Nikolaus ergeben, erläuterten Vertreter des Kirchenvorstandes, des Pfarrgemeinderates und Pfr. Süß in einem Gespräch mit der Redaktion des Pfarrbriefs.

Am Anfang standen nüchterne Zahlen und Fakten: „Wir hatten einen großen Investitionsstau bei unseren Immobilien“, beschreibt Dr. Alfons Daubenbüchel, Mitglied im Bauausschuss des Kirchenvorstandes von St. Nikolaus, die finanzielle Situation der Gemeinde: „Die 60 000 Euro, die wir für die Renovierung des Treffpunkts zugesagt bekommen hatten, reichten nicht aus.“ Denn die baulichen Mängel waren mit den Jahren immer größer geworden; es bröckelt buchstäblich an allen Ecken und Enden. So hat sich beispielsweise schon der Bodenbelag in einigen Räumen gelockert und die Außenwände müssen von Graffitis gesäubert werden.

Von Pfr. Süß kam die Anregung, das Gespräch mit den zuständigen Stellen auf Diözesanebene zu suchen. Dr. Bernhard Wunder von der Hauptabteilung Seelsorgebereiche unterbreitete den Bensbergern daraufhin einen innovativen Vorschlag: Er ermunterte die Gemeindevertreter, das Vorhaben zu überdenken und statt der dringend nötigen Renovierung des Treffpunkts eine ‚große’ Lösung anzustreben: den kompletten Um- und Ausbau des bisherigen Gemeindezentrums. Dabei sollen alle pfarreigenen Gebäude rund um die Kirche auf ihre Nutzung hin überprüft und optimiert werden. An den Kosten will sich die Diözese zu 70 Prozent beteiligen, sofern ein stimmiges Konzept für die Neugestaltung vorgelegt wird.

Dabei gilt es, nicht nur dem gegenwärtigen Bedarf der Gemeinde gerecht zu werden, sondern auch die künftige Situation in den Blick zu nehmen. Wie wird sich St. Nikolaus in den nächsten Jahren entwickeln? Welche demografischen und gesellschaftlichen Trends werden darüber hinaus auch die Kirche insgesamt verändern? Was bedeutet das für die finanzielle Ausstattung und die pastoralen Aufgaben der Gemeinde?

Martin Brochhaus, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats, sieht in dem Angebot aus Köln eine große Chance: „Entscheidend ist: Wir sind frei zu denken“, betont er, „es gibt die klare Zusage, dass uns für ein gutes und überzeugendes Konzept Geld zur Verfügung gestellt wird.“

Wie kann ein solches Konzept aussehen? Welche Aspekte müssen berücksichtigt werden? Wer wird darüber nachdenken und letztendlich entscheiden? Nachdem der Kirchenvorstand in seiner letzten Sitzung am 6. Juni seine Zustimmung zu dem Vorhaben gegeben hat, beschäftigt sich nun ein Arbeitskreis, dem Vertreter des KV, des PGR und Pfr. Süß angehören, damit, die nächsten Schritte zu planen und die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. „Die Bausubstanz verändern heißt: die Gedanken verändern, wie wir Pastoral betreiben“, sagt Pfr. Süß. „Deshalb muss am Anfang aller Überlegungen ein pastoraler Prozess stehen: Welche Aufgaben wollen wir in unserer Gemeinde wahrnehmen? Danach schauen wir, welche Räume dafür nötig sind.“ Es gehe nicht darum, das Rad neu zu erfinden, fügt PGR-Mitglied Brigitta Kindervater hinzu. „Denn wir haben ja erst kürzlich ein Pastoralkonzept erarbeitet. Wir müssen es jetzt konkret umsetzen.“

Fest steht: Im Lauf der rund 40 Jahre seit Entstehung des Treffpunkts haben sich die Voraussetzungen und Bedingungen der pastoralen Arbeit geändert. Eine kritische Bestandsaufnahme wird nötig sein, um die heutige und die künftige Situation in die Planung einfließen zu lassen. „Unsere Räume werden zur Zeit nicht angemessen genutzt“, resümiert Stefan Höller vom Bauausschuss des Kirchenvorstands. „Zum Beispiel hat die Caritasarbeit in den letzten Jahren an Umfang und Bedeutung zugenommen. Dem werden unsere Räume aktuell nicht gerecht – die Caritassprechstunde muss aus Platzmangel fast auf dem Flur stattfinden.“

Der Ausgangspunkt für alle strategischen Überlegungen, so die Gesprächsteilnehmer, müsse sein, eine Haltung zu entwickeln, Schwerpunkte zu setzen, die Pastoral neu auszurichten und zu justieren. „Wenn uns die Jugendarbeit vordringlich erscheint, müssen wir das in unseren Planungen entsprechend berücksichtigen. Oder wir wollen Begegnungen fördern und dafür Räume schaffen. Oder aber wir setzen auf niederschwellige Angebote, um Kirchenferne anzusprechen“, erläutert Martin Brochhaus die Vorgehensweise.

Eine wichtige Bedingung, die das Konzept für St. Nikolaus erfüllen muss, ist Nachhaltigkeit: Denn die Kirchen werden künftig über weniger Einnahmen aus Kirchensteuern verfügen können. Gefördert werden darum vor allem bauliche Projekte, die sich dank kluger Planung selber tragen – keine teuren Prestigeobjekte. „Es wird keine zusätzlichen Räume und Nutzungsflächen für kirchliche Zwecke geben“, stellt Stefan Höller klar. Es gehe nicht um eine Vergrößerung, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz: „Wir sind gehalten, mit den vorhandenen Flächen sinnvoll zu wirtschaften.“ Für St. Nikolaus sind verschiedene Möglichkeiten denkbar: Durch energetische Sanierung ließen sich Heizkosten senken. Vorhandene Gebäude könnten aufgestockt und als Wohnraum vermietet werden. „Dann käme auch mehr Leben auf den Kirchhof“, meint Dr. Alfons Daubenbüchel.

Damit ist ein weiterer zentraler Aspekt angesprochen, der die Neugestaltung des Gemeindezentrums maßgeblich beeinflussen wird: Welches Bild will die Gemeinde St. Nikolaus von sich vermitteln? „Wir haben die Chance, mehr Offenheit, Begegnung, Transparenz zuzulassen“, freut sich Pfarrer Süß. Das gegenwärtige Erscheinungsbild der Kirche und des sie umgebenden Geländes beurteilt er wie auch die übrigen Mitglieder des Arbeitskreises eher kritisch: „Es sieht tot aus“, stellt Brigitta Kindervater sachlich fest. „Das müssen wir aufbrechen, damit alle sehen: Hier läuft etwas. Wir haben eine lebendige Gemeinde!“ Eine Ver-Lebendigung wünschen sich auch die Kirchenvorsteher. „Wir wollen zeigen: Wir sind aktiv, hier findet Gemeindeleben statt. Wir müssen darüber nachdenken, die Fassade zu öffnen, vielleicht mehr Glas als Baustoff einzusetzen“, überlegt Stefan Höller. Das Kirchengrundstück wirke teilweise wie abgeschottet von der Umgebung: „Wenn man von der Post kommt, führt der Weg zur Kirche an einem wenig einladend aussehenden Holzzaun vorbei. Dahinter könnte auch irgendeine Baustelle liegen! Ich stelle mir vor, wie abweisend das wirken muss – zum Beispiel auf eine junge Mutter, die dort entlanggeht, um ihr Kind zur Taufe anzumelden“, kritisiert Höller.

Die idyllische Abgeschiedenheit des Kirchhofs sei ein nicht mehr zeitgemäßes Erscheinungsbild von Gemeinde. Es komme für die Kirche vor Ort mehr denn je darauf an, auf sich aufmerksam zu machen und größtmögliche Außenwirkung zu erzielen. „Wir haben heute eine andere Situation als vor 40 Jahren. Für die Menschen ist es nicht mehr selbstverständlich, zur Kirche zu gehen“, meint Martin Brochhaus. Und Brigitta Kindervater gibt zu bedenken: „Unsere Lage auf dem Berg kommt erschwerend hinzu: Wir liegen abseits der City und haben keine ‚Laufkundschaft’.“ Auch über die optische Anbindung des zur Gemeinde gehörenden Dechant Berger Hauses muss nach Ansicht des Gremiums nachgedacht werden: Dort finden regelmäßig Veranstaltungen der Gemeinde statt, ohne dass diese Zugehörigkeit erkennbar wäre.

Ab dem Herbst 2016 sollen alle Gemeindemitglieder über das Projekt an mehreren Informationsabenden offiziell in Kenntnis gesetzt werden. Die Termine für die Veranstaltungen werden rechtzeitig bekanntgegeben. Bis dahin will der Arbeitskreis erste Gespräche mit den einzelnen Gruppierungen führen, die der Bedarfsermittlung dienen. Mit Entscheidungen ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu rechnen, sie werden später in den dafür zuständigen Gremien fallen. Wie lange es bis zum ersten Spatenstich dauert, kann bisher noch nicht abgeschätzt werden. „Es gibt ein zeitliches Raster“, versichert Dr. Alfons Daubenbüchel. Für alle, die auf eine baldige und zügige Renovierung des Treffpunkts gehofft haben, ist das eine bittere Pille. Auch wer bereits Geld gespendet hat, mag sich fragen, ob es nach wie vor gut angelegt ist. Doch da die Gemeinde 30 Prozent der Kosten für die Neugestaltung selber stemmen muss, werden auch diese Mittel dringend gebraucht und dem Umbau zugute kommen. Auf jeden Fall steht St. Nikolaus in der nächsten Zeit vor einer neuen und großen Herausforderung – einer machbaren, wie Pfarrer Andreas Süß meint: „Wir müssen Visionen in Teilziele zerlegen. Dann kann uns der ganz große Wurf gelingen!“

Text – Martina Martschin
Foto – Beatrice Tomasetti