„Es geht um ein Beziehungsgeschehen“

An diesem Wochenende finden die beiden ersten der insgesamt vier Kommunionmessen statt

In vielen Gemeinden des Erzbistums hat sich bewährt, Mütter und Väter von Kommunionkindern als Katecheten zu gewinnen, die bei sich zuhause die Erstkommunionvorbereitung in einer Kleingruppe übernehmen. Auch in St. Nikolaus und St. Joseph ist das seit vielen Jahren Tradition. Zum Weißen Sonntag hat Pfarrer Andreas Süß dem Domradio ein Interview zur Erstkommunionvorbereitung in seinen Gemeinden gegeben, das hier noch einmal publiziert wird. Denn an diesem Sonntag gehen in Moitzfeld 26 Kinder zur Ersten Heiligen Kommunion, am kommenden Wochenende in Bensberg – in einer Feier am Samstagnachmittag und in einer am Sonntagvormittag – insgesamt 42 Kinder.

DOMRADIO.DE: Herr Pfarrer Süß, in Ihren beiden Gemeinden gehen in diesem Jahr 68 Kinder zur Erstkommunion. Welche sind die größten Herausforderungen bei der Hinführung der Kommunionkinder auf den Empfang der Eucharistie?

Süß: Eine der zunächst größten Herausforderungen besteht darin, dass wir als Kirche schon lange nicht mehr Alleinanbieter für Freizeitangebote von Kindern sind – wie in meiner Kindheit, als die Messdienergruppenstunde oder auch die der Pfadfinder in der Woche noch ein Highlight war. Heute haben bereits die Neunjährigen so viele Hobbies und Verpflichtungen, beispielsweise im Sport oder mit der schulischen Nachmittagsbetreuung, dass es schon schwierig ist, während der sechsmonatigen Vorbereitungszeit überhaupt einen gemeinsamen Termin für das wöchentliche Gruppentreffen zu finden. Hier müssen wir ganz schön jonglieren. Und in zweiter Linie betrifft dieser terminliche Engpass natürlich auch die Eltern, die neben ihrer eigenen Berufstätigkeit Zeit für Fahrdienste zum Kommunionunterricht bzw. den anderen Veranstaltungen, beispielsweise den Elternabenden, die wir im Rahmen der Kommunionvorbereitung anbieten, finden müssen.

DOMRADIO:DE: Apropos: Es ist ein Phänomen unserer Gesellschaft, dass Eltern immer häufiger – manchmal auch unbewusst – ihren eigenen Erziehungsauftrag an die Schule delegieren – und im Fall der Erstkommunionvorbereitung an den zuständigen Pfarrer.

Süß: Da sind wir in der Tat an einem entscheidenden Punkt. Um Kinder auf die Erstkommunion vorzubereiten, bedarf es der Mitwirkung so vieler: vor allem der Eltern, aber auch der Großeltern, Freunde, Lehrer, Katecheten, Musiker – ja, der ganze Gemeinde. Denn wie das Wort „communio“ – lateinisch: Gemeinschaft – schon sagt, ist der Empfang dieses Sakramentes ein Gemeinschaftserlebnis, bei dem Menschen aus dem engsten Umfeld der Kinder zum Vorbild im Glauben werden können. Mit ihrem Beispiel tragen sie zu der Ermutigung bei, ein Leben in Freundschaft mit Jesus zu wagen und sich damit reich beschenken zu lassen. Den Eltern kommt dabei die wichtigste Rolle zu. Denn das Vertrauen, das Kinder naturgemäß ihren Eltern gegenüber haben, dient ihnen als grundlegende Voraussetzung für ein Vertrauensverhältnis zu Gott, das wir in ihnen wecken, fördern und wachsen lassen wollen. Denn ich wünsche mir von Herzen, dass sie ein solches Vertrauen auch zu Jesus – eben wie zu einem guten Freund – entwickeln lernen. Dafür muss ich die Eltern mit ins Boot holen. Sie sind die ersten religiösen Erzieher ihres Kindes. Und aus dieser Verantwortung will ich sie nicht entlassen.

DOMRADIO.DE: Wie kann dieser Anspruch an die Eltern realistisch umgesetzt werden?

Süß: Ich binde Eltern sehr bewusst ein, indem ich in der Zeit zwischen dem ersten Advent, dem offiziellen Beginn der Vorbereitungszeit, bis zur eigentlichen Kommunionfeier vier Elternabende anbiete, bei denen ich wenigstens mit einem Elternteil ins Gespräch kommen möchte. Diese Abende thematisieren beispielsweise das Sakrament der Versöhnung. Also: Was bedeutet theologisch die Barmherzigkeit Gottes? Aber auch: Was bedeutet es, miteinander Ostern zu begehen? Oder: Was bedeutet die Gemeinschaft mit Gott und den Menschen? Schließlich begibt sich der Sohn Gottes in unsere Hand. Und: Was bedeutet es, als christliche Familie zu leben? Wie sehen die Rituale einer Familie aus? Gibt es ein Tischgebet? Wie werden die Kirchenfeste gefeiert? Dann gibt es natürlich auch die Einladung zu den Sonntagsmessen, die oft unter Beteiligung der Kinder als Familienmessen gestaltet werden. Auch hierzu wünsche ich mir die Begleitung der Eltern. Ein Kind kann nur spüren, dass dieser sonntägliche Kirchbesuch wichtig ist, wenn es in seinen Eltern dafür ein Vorbild findet und diese mit gutem Beispiel vorangehen.

DOMRADIO:DE: Kommunionvorbereitung ist demnach also auch Elternarbeit für Sie?

Süß: Absolut. Wenn ich als Mutter oder Vater will, dass meine Kinder spüren, dass Gott mich trägt, muss ich über meinen Glauben sprechen. Kinder müssen erleben, dass Eltern und Großeltern – ihre Generation ist ja oft der Garant für die Weitergabe des Glaubens – ihnen diese Gottesbeziehung vorleben, indem sie beispielsweise beten. Dann erfahren die Kinder an diesem Beispiel etwas, was sie annehmen können – im Vertrauen darauf, dass das etwas Gutes ist, weil sie es so schon kennen. Der eigene Glaube sollte für Erwachsene keine Privatsache sein. Ganz im Gegenteil. Wenn Kindern eine Gottesbeziehung nicht vorgelebt wird, können auch sie keine Gottesbeziehung entwickeln. Viele meinen, für alle Fragen des Glaubens sei der Pastor zuständig. Aber diesen Ball spiele ich gerne zurück, indem ich die Eltern ermutige, eigene Formen für den Glauben innerhalb ihrer Familie zu finden. Das heißt: Es können Rituale eingeführt werden wie das abendliche Kreuzzeichen auf die Stirn oder besondere Gebete, das Besprengen mit Weihwasser vor dem Zubettgehen. Da gibt es viele Möglichkeiten.

DOMRADIO.DE: Wie reagieren denn die Eltern auf diese Anregungen?

Süß: Ich mache die Erfahrung, dass sich Eltern – unterstützt von den Katecheten – über gemeinsame Aktionen, wie das Palmstecken oder Kerze Basteln, Brotbacken, die Beteiligung am Kinderkreuzweg oder gemeinsames Musikmachen, einbinden lassen. Daraus ergeben sich nicht selten Gespräche darüber, wie es ihnen mit ihrem Glauben ergangen ist. Nicht zuletzt lassen sich ja immer wieder auch Mütter und Väter für die Aufgabe der Katecheten ansprechen, die sie dann hoch motiviert mit Leben füllen. Das ist ein Dienst, für den ich sehr dankbar bin. Im Kontext einer solchen Familienpastoral sehe ich mich als Ermutiger und Befähiger. Wenn Eltern nicht delegieren und nicht als Zuschauer außerhalb des Geschehens bleiben, kann uns – wie es schon die frühen Christen kannten – wieder eine Art „Hauskirche“ im Kleinen gelingen. Das heißt, dass Religiösität zu Hause gelebt wird, sich Familienkreise bilden und es nach dem Kommunionfest für alle weitergeht, beispielsweise mit Familienwochenenden oder Angeboten in den Messdiener-, Pfadis- und KjG-Gruppen. Überhaupt ist die Teilnahme am Gemeindeleben ein zentraler Punkt.

DOMRADIO.DE: Was ist Ihnen bei der Kommunionvorbereitung das Wichtigste?

Süß: Ich möchte eine Beziehung zu jedem Kind aufbauen. Dafür muss ich es kennenlernen und in seiner Individualität wahrnehmen. Bei der Anmeldung spreche ich mit allen Eltern und erlebe in der Regel einen großen Vertrauensvorschuss. Dabei erfahre ich aber auch von Trennungen und verletztem Vertrauen. Da ist doch klar, dass dieses so unbedingte Vertrauen, wie es für eine dauerhafte Gottesbeziehung notwendig ist, zuerst über den Aufbau einer tragfähigen zwischenmenschlichen Beziehung zurück gewonnen werden muss.
Manchmal staune ich auch, mit welch’ großen Augen die Kinder einer Kirchenführung folgen, bei der sie mit den Geheimnissen eines Gottesraumes vertraut gemacht werden. Auch das ist mir wichtig. Sie erleben: Im Tabernakel wohnt Gott. Das übt eine große Faszination auf sie aus.

DOMRADIO.DE: Was geschieht in den wöchentlichen Gruppenstunden mit den Katecheten?

Süß: In den Gruppenstunden geht es viel um Gemeinschaftserfahrung – mit Gott und den Menschen. Die Inhalte orientieren sich am Ablauf der Messe: Von Gott zu hören und zu erzählen – mit Hilfe der Bibel – ist eines der Themen. Ein anderes: Wie geht eigentlich Beten? Jesus begegnen in den Evangelien und Gleichnissen – auch das ist wichtig. Angesichts der Tatsache, dass ein Viertel unserer Kommunionkinder erst jetzt in Vorbereitung auf die Erstkommunion getauft wurde, bedeutet, sich intensiv mit den Sakramenten zu beschäftigen. Nämlich mit der Gnade, aus der heraus ich lebe und meinen Glauben bekenne. Sakramente wollen zeichenhaft die Nähe Gottes vermitteln und erfahrbar werden lassen. Sie sind Feiern unseres Glaubens. Konkret: Wir feiern, dass Gott sich uns mit seiner Barmherzigkeit und Liebe zuwendet. In den Sakramenten kommt zum Ausdruck, dass Gott in Beziehung ist mit uns und immer wieder in Beziehung zu jedem einzelnen Menschen tritt. Es geht also vorrangig um ein Beziehungsgeschehen. Diese Erfahrung ist eine der fundamentalen Botschaften, die wir den Kindern mitgeben wollen. Schuld, Vergebung, Versöhnung – auch das sind wichtige Elemente sowie auch die großen Kirchenfeste Weihnachten und Ostern mit ihren zentralen Botschaften. Wenn Kinder die Liturgie lebhaft mitfeiern sollen, wollen sie verstehen, was sie da tun.

DOMRADIO.DE: Dennoch hört sich das aus kindlicher Perspektive doch sehr kopflastig an…

Süß: Keineswegs. Alle diese Themen werden altersgerecht aufbereitet und durch Bewegungsspiele oder auch schon mal einen Ausflug aufgelockert. Für Kinder ist Anschauung wichtig. Daher fahren wir in eine Hostienbäckerei, damit sie auch einmal anfassen und „begreifen“ können, was ihnen dann am Weißen Sonntag in der Eucharistie geschenkt wird: in Gestalt einer Hostie, die vorher nur Mehl und Wasser war, jetzt aber der lebendige Leib Christi, den jeder in seinen Händen hält. Die Gruppenstunden sollen kein Religionsunterricht sein, sondern eher ein erfahrungsbezogener und erlebnisorientierter Glaubenskurs für Kinder, der am konkreten Lebensumfeld der Kinder ansetzt. So beschäftigen sich die Kinder zum Beispiel bei einem der ersten Treffen mit der Tatsache: Gott lädt mich ein. Einladen und eingeladen werden – das kennen Kinder aus ihrem eigenen Erleben und können davon berichten, was es bedeutet, gefragt und als Gast willkommen zu sein. Menschen zu Jüngern Jesu zu machen heißt letztlich doch: Komm und sieh! Also die konkrete Erfahrung, jemanden in der eigenen Glaubensgemeinschaft mitleben zu lassen.

DOMRADIO.DE: Nach Ihrer Vorstellung übernimmt demnach auch die Gemeinde bei der Kommunionvorbereitung eine wesentliche Rolle?

Süß: In der Tat sollte die ganze Gemeinde die Kommunionkatecheten, vor allem mit ihrem Gebet, so begleiten, dass sich die Gemeindemitglieder in der Verantwortung für die Glaubensweitergabe sehen. Meine Aufgabe besteht darin, sie dazu zu befähigen. Das gelingt nur, wenn die Katecheten wiederum aus ihrem Glauben leben und andere daran teilhaben lassen. Denn die Katechetenrunde muss mehr sein als ein Orga-Team für Gruppenstunden.

DOMRADIO.DE: Was ist für Sie die zentrale Botschaft in der Kommunionvorbereitung?

Süß: Es geht um die Vermittlung der Erfahrung, dass sich Jesus in seinem Leib jedem Einzelnen schenkt. „Ich gebe meinen Leib für euch, weil ich weiterhin unter euch sein will, weil ich euch Woche für Woche stärken will, damit ihr mich erlebbar macht in dieser Welt“ – das ist die eigentliche Botschaft Jesu. Die Herausforderung – die Probe aufs Exemple – besteht darin, dass wir seiner Liebe ein Gesicht geben. Also so leben, dass wir von den Sorgen, Nöten und Freuden unserer Geschwister nebenan wissen, ihnen helfen, für sie da sind. Wenn das geschieht, trifft es wirklich zu, dass die Eucharistie die Gemeinde auferbaut. So verstanden ist die Feier der Erstkommunion nicht nur ein Fest für die Kinder, sondern für die ganze am Weißen Sonntag versammelte Gemeinde.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti (DR)