Den „brennenden Dornbusch“ im eigenen Leben entdecken

Ludwig Fußhöller feiert Diamantenes Priesterjubiläum mit seiner „Pfarrfamilie“

Es ist ein Sonntag im Februar, wie er schöner kaum sein kann. Rund um St. Joseph herrscht seit kurz nach neun Uhr rege Betriebsamkeit. Die Parkplatzsituation ist desolat. Es scheint, als ob alles, was Beine oder einen fahrbaren Untersatz hat, an diesem strahlenden Wintermorgen zur Kirche unterwegs ist. Dort feiert Pfr. i. R. Ludwig Fußhöller sein Diamantenes Priesterjubiläum. Vor 60 Jahren, am 23. Februar 1956, wurde er von Kardinal Frings zusammen mit 27 anderen jungen Männern in St. Heribert zum Priester geweiht – wegen der extremen Kälte im Dom war die Feier sozusagen „quer über den Rhein“ in die Deutzer Kirche verlegt worden.

Dem Rechtsrheinischen ist er in seiner beruflichen Laufbahn auch weiterhin treu geblieben – nach seiner langjährigen Tätigkeit als Pastor in Troisdorf wählte er vor 19 Jahren Moitzfeld als seinen Altersruhesitz. Doch „zur Ruhe“ kam der Subsidiar dort nicht, vielmehr ließ er sich gern noch einmal in die Pflicht nehmen und wurde zum festen und unverzichtbaren Mitglied des Pastoralteams der Pfarreiengemeinschaft von St. Nikolaus und St. Joseph. Und so kommt es, dass die Feier zu seinem 60jährigen Priesterjubiläum, so wie er es sich gewünscht hat, nicht im Privaten stattfindet, sondern als ein Fest der Gemeinden begangen wird: „Bei einem 60jährigen Ehejubiläum will man ja nicht nur sich selbst feiern, da steht die Familie im Mittelpunkt. So soll es auch heute sein. Es geht nicht darum, den Klerus zu bejubeln, sondern die Pfarrfamilie zu feiern. Denn wir sind eine große Familie – und das müssen wir uns viel öfter bewusst machen“, sagt Fußhöller mit Nachdruck, als er die Gemeindemitglieder zur Festmesse begrüßt.

Jegliches Aufheben um seine Person ist ihm fremd – dementsprechend hat der Jubilar seinen Amtskollegen Pfr. i.R. Heinz-Peter Janßen gebeten, weder eine Laudatio noch eine Rückschau auf seinen beruflichen Werdegang zu halten. Janßen, der neben Pfarrer Andreas Süß und Pfarrvikar Dr. Luke Ndubuisi konzelebriert, entspricht diesem Wunsch – und findet in seiner Predigt dennoch zu Herzen gehende Worte, die Fußhöller in seinem theologischen Selbstverständnis zutreffend skizzieren. Berufung lautet das Thema – aber weiter gefasst als im sonst üblichen Sinne: nämlich als Ruf Gottes, der jedem von uns in gleichem Maße gilt. Die Lesung aus dem Buch Exodus – Mose wird durch Gott in Gestalt des brennenden Dornbuschs beauftragt, das Volk Israel aus der Sklaverei zu führen – liefert als die „klassische“ Berufungsgeschichte im Alten Testament das passende Bild dazu. „Ich bin sicher“, betont Janßen „je deutlicher wir alle den ‚brennenden Dornbusch‘ in unserem Leben entdecken und dem Ruf vertrauen, der uns daraus erreichen will, desto intensiver werden wir miteinander leben, desto barmherziger werden wir miteinander umgehen und desto weniger werden diejenigen ausrichten können, die Angst vor der Freiheit und Weite haben, in die Gott die Seinen führen möchte – auch durch uns.“

Zum Wesen jeder Berufung, so Janßen, gehöre zunächst Neugier und Staunen, eine „anrührende, zündende Erfahrung“, die Menschen dazu bringt, sich auf Jesus Christus und seine Botschaft einzulassen. Ferner sei jede Berufung auch eine „mission impossible“, eine Zu-Mutung im wörtlichen Sinn: Gott mutet uns etwas zu, das unmöglich, geradezu ungeheuerlich erscheint – aber er gibt uns auch den Mut, es anzugehen und zu schaffen. Für Ludwig Fußhöller habe diese „mission impossible“ in den Anfangsjahren seiner priesterlichen Tätigkeit darin bestanden, „die Dürre einer in vielem erstarrten Theologie“ zu überwinden und seinen eigenen geistlichen Weg zu finden. Die Reformen, die das Zweite Vatikanum angestoßen hat, wurden für seinen Weg ebenso richtungsweisend wie die Begegnung mit der Priesterbruderschaft von Charles de Foucauld, in der Ludwig Fußhöller seine geistliche Heimat fand. „Vor dem Hintergrund Deiner eigenen Befreiungserfahrung hast du vielen Menschen mit einer besonderen Glaubwürdigkeit die Botschaft von dem liebenden und befreienden Gott nahebringen und ihnen aus ihren Nöten und Zwängen heraushelfen können, die sie vom wahren Leben abtrennten“, fasst Janßen das fruchtbare Wirken des älteren Mitbruders zusammen.

Ein sichtlich bewegter Jubilar dankt dem ehemaligen Kollegen Janßen, mit dem er 18 Jahre bis zum Sommer des vergangenen Jahres zusammengearbeitet hat. Auch Gemeindereferentin Susanne Besuglow ist als „Ehemalige“ noch einmal an ihre frühere Wirkungsstätte zurückgekehrt; sie trägt die mit Bedacht formulierten Fürbitten vor. Für musikalische Glanzlichter sorgen die Chöre von St. Nikolaus. Als sie das Mendelssohn’sche „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ anstimmen, ist es bei vielen Anwesenden um ihre Fassung geschehen. Auch die Jugend setzt in dem feierlichen Gottesdienst einen besonderen Akzent – allein durch ihre Präsenz. Messdiener und Vertreter von KjG und der Pfadfinderschaft sind zahlreich erschienen und haben sich im Altarraum versammelt, um mit „ihrem“ Pfarrer Fußhöller Messe zu feiern. Vor dem Segen wendet sich der Seelsorger plötzlich zu den Jugendlichen um und richtet das Wort an sie. „Ich weiß, dass ihr diese Form der Liturgie nicht ansprechend findet. Ihr seid die Generation von morgen, die Zukunft der Kirche. Ihr könnt und müsst vieles verändern“, ruft er ihnen zu. Es sind auch diese spontanen Gesten, die ihm die Sympathie und Wertschätzung der jungen Menschen einbringen, seine direkte und herzliche Art. Dass er anstelle von persönlichen Geschenken um Spenden zugunsten des Jugendhilfe e.V. gebeten hat, unterstreicht, wie sehr dem Seelsorger die Belange der jungen Generation am Herzen liegen.

Schließlich richtet er noch seinen Dank an die gesamte Gemeinde, die für ihn die Feier ausgerichtet hat, und speziell an alle, die im Hintergrund dazu beitragen, das Fest zu gestalten: „Allein hätte ich das ja gar nicht geschafft“, meint der 86-Jährige dazu mit einem launigen Schulterzucken. Schon am Vortag hatte er es sich nicht nehmen lassen, die Helferinnen und Helfer, die im Pfarrsaal mit den Vorbereitungen beschäftigt waren, zu begrüßen und sich bei allen für ihren Einsatz persönlich zu bedanken.

Mehr als 200 Gäste drängen sich beim anschließenden Empfang im Pfarrsaal, der am Tag zuvor mit einem Zelt vergrößert worden war, um dem zu erwartenden Ansturm standhalten zu können. Angehörige, Gemeindemitglieder, Freunde und Weggefährten sind gekommen, um mit Ludwig Fußhöller zu feiern. Offizielle Gäste und „Würdenträger“ fehlen an diesem Tag ebenso wie steife Ansprachen – ganz den Vorstellungen des Jubilars gemäß, der sich – wie gesagt – ein Familienfest gewünscht hat. Ein paar wenige, sehr persönliche Geschenke werden ihm dann doch noch überreicht: handgestrickte Socken gegen seine chronisch kalten Füße, eine kleine verlässliche Taschenkamera vom Pfarrgemeinderat und ein kunstvoll zusammengestelltes Fotobuch. Es enthält einen Rückblick auf seine Zeit in Bensberg und Moitzfeld – nicht in Stationen, sondern in Impressionen – und zeigt den Pfarrer im Ruhestand als Seelsorger und Menschen, wie ihn viele kennen, die ihn in Gottesdiensten, auf Familienwochenenden, bei Exerzitien und im Karneval – sogar im Prinzenkostüm – erlebt haben.

Weil kfd und Familienmesskreis von St. Joseph mit gewohntem Organisationstalent für das leibliche Wohl der Gäste sorgen und Suppe, Häppchen, Kaffee und Kuchen, Sekt und Bier reichlich vorhanden sind, sitzt man noch lange beim gemütlichen Plausch zusammen. Es ist Nachmittag, als die letzten Gäste aufbrechen und auch Ludwig Fußhöller sich zurückzieht – sichtlich von den Anstrengungen gezeichnet – und doch lächelnd, dankbar. Es war ein Sonntag im Februar, wie er schöner kaum sein kann.

Text – Martina Martschin
Fotos – Heinz Pfeil (8), Manfred Stommel-Prinz (5) und Beatrice Tomasetti