„Blaues Sofa“ bleibt Anziehungspunkt

Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Pfarreiengemeinschaft stehen jeden Donnerstagvormittag zur Marktzeit für Gespräche bereit

Eigentlich kommt an dem einladenden Stehtisch mit Kaffee und Gebäck niemand vorbei. Denn der Standort gleich am Anfang der Fußgängerzone mit ihren Marktständen unweit des Cineplex ist günstig gewählt. Zumindest wenn es darum geht, mitten im Geschehen zu sein. Und das ist Pfarrer Andreas Süß und einem wechselnden Team aus haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern ganz besonders wichtig: als Kirchengemeinde nah an den Menschen zu sein – und ansprechbar: ohne bürokratische Hürden oder konfessionsbedingte Ressentiments. Genau dieses Vorhaben geht auch auf. Und das nun schon seit einigen Wochen, seitdem Süß die Idee hatte, die Erfahrbarkeit von Kirche loszukoppeln vom Kirchenraum und dort die Menschen aufzusuchen, wo sie im Alltag anzutreffen sind: eben donnerstags auf dem Wochenmarkt. Seit Mitte Mai bieten die Seelsorger von St. Nikolaus und St. Joseph daher Gespräche an einem unkonventionellen Ort an – für den, der will, eben auch auf dem blauen Sofa unter dem Zeltdach. Und dieses Angebot, wie sich herausstellt, bleibt anhaltend attraktiv.

„In Nigeria ist es üblich, als Kirche auf die Menschen zuzugehen, um sie auf diese Weise kennenzulernen. Dort machen wir in der Regel bei den Familien unangekündigte Hausbesuche. In meiner Heimat muss man für ein Seelsorgegespräch nicht vorab – wie in Deutschland – einen Termin vereinbaren. Da geht es unbürokratischer zu“, erklärt Pfarrvikar Dr. Luke Ndubuisi, der ebenfalls diesen Begegnungstreff in der Fußgängerzone nutzt, um mit sehr unterschiedlichen Menschen in Kontakt zu kommen. „Nicht alle sind katholisch, die hier stehen bleiben. Manche wollen nur, dass man ihnen zuhört, weil sich sonst niemand dafür interessiert, dass sie krank, alt oder einsam sind. Andere kommen mit konkreten Fragen und benötigen gezielte Informationen“, berichtet er. Er mache „gute Erfahrungen“ mit dieser Form von „Kirche sein“ und stellt den Vergleich zu einem großen biblischen Vorbild her. „Der Heilige Paulus hat auch auf dem Marktplatz gepredigt und sich unters Volk gemischt. Auch er wusste schon, dass man so Schritt für Schritt an die Menschen herankommt und in einem ersten zunächst unverbindlichen Gespräch eine Vertrauensbasis schaffen kann. Beim einem nächsten Mal ist es dann vielleicht möglich“, so Ndubuisi, „behutsam auf das vielfältige Angebot unserer pastoralen Arbeit aufmerksam zu machen. Wer weiß…“

Auch Pfarrer Andreas Süß zieht nach dem vierwöchigen Experiment Bilanz: „Der Austausch mit den Passanten lässt ganz neue pastorale Ideen entstehen. So gibt es bereits die Anregung, einen Chauffeurdienst für diejenigen zu organisieren, die nicht mehr selbständig zur Kirche kommen können. Oder aber wir werden sensibilisiert für alte Menschen, die dankbar wären, von unserer Alten- und Familienhilfe mit der einen oder anderen Unterstützung versorgt zu werden.“ Es würden Besuchswünsche geäußert oder seelsorgliche Themen angesprochen. „Die Menschen sind so dankbar für diese Gesten eines offenen Ohres oder ermunternden Wortes inmitten der Betriebsamkeit ihres Alltags, so dass wir mit unserer Initiative ‚Blaues Sofa’ genau richtig liegen.“

Text und Foto – Beatrice Tomasetti